Keine Marxistin ist illegal
Von Nick Brauns![1.jpg](/img/450/205352.jpg)
Nun ist es amtlich: Die Münchner Klimaschutzaktivistin Lisa Poettinger darf nicht Lehrerin werden. Weil sie sich der marxistischen Analysemethode bedient und in einem antikapitalistisch orientierten Klimaplenum engagiert, zweifelt das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus an der Verfassungstreue der 28jährigen. »Die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Gymnasien zum Termin Februar 2025 wird Ihnen untersagt« – so lautete der Bescheid, der Poettinger am Dienstag zugestellt wurde. In einer knappen Woche hätte ihr Referendariat beginnen sollen.
Begründet werde das Berufsverbot in dem 105seitigen Schreiben nahezu ausschließlich unter Bezugnahme auf Stellungnahmen des Verfassungsschutzes, berichtet Poettingers Anwältin Adelheid Rupp gegenüber jW. Einige Stilblüten daraus: In einem Interview hatte Poettinger die Internationale Automobilausstellung (IAA) als Symbol für Profitmaximierung auf Kosten von Mensch, Umwelt und Klima bezeichnet. Dazu heißt es im Bescheid: »Nach Mitteilung des Verfassungsschutzes vom 5.11.2024 stammt der Begriff der ›Profitmaximierung‹ aus dem Kommunismus und wertet Gewinnstreben in der Wirtschaft ab.« Und weiter: »Mit ihren Ausführungen üben Sie nicht nur Kapitalismuskritik, sondern sprechen sich für Antikapitalismus aus.« Auch das »Eintreten für den ›Klassenkampf‹« sei mit der »freiheitlichen demokratischen Grundordnung« nicht vereinbar, denn laut Inlandsgeheimdienst sei dies »synonym für die Forderung nach Abschaffung des Kapitalismus« und damit der Demokratie. Diese Rechtfertigung des Berufsverbots erinnert an die Begründung von Inlandsgeheimdienst und Berliner Verwaltungsgericht zur Nennung der Tageszeitung junge Welt im Verfassungsschutzbericht. Dabei sei es ein Konstrukt, wonach das Grundgesetz und die bayerische Verfassung das kapitalistische System vorschreiben, so die Juristin Rupp. Die Festlegung auf eine bestimmte wirtschaftliche Ordnung sei dort bewusst herausgehalten worden.
Selbst aus ihrer Verwunderung über die Einstufung ihres Engagements als »linksextremistisch« wird Poettinger ein Strick gedreht. Denn dies zeige, dass ihr die für Pädagoginnen notwendige Bereitschaft zur kritischen Selbstreflexion fehle, heißt es aus dem Ministerium. Poettinger hatte sich die rechtskonservative Landesregierung im Januar 2024 zur Feindin gemacht, als sie als Versammlungsleiterin einer Großkundgebung »Gemeinsam gegen rechts« die Teilnahme von CSU-Ministerpräsident Markus Söder für unerwünscht erklärte und daraufhin von der Springer-Presse als »Extremistin« an den Pranger gestellt wurde.
»Wer sich in seiner Freizeit für Klimaschutz und Demokratie engagiert und dabei auch noch Begriffe verwendet, die der Staatsregierung nicht gefallen, kann in Bayern für charakterlich ungeeignet erklärt werden, Kindern Englisch beizubringen«, kommentierte Poettinger das Berufsverbot, das sie als gravierenden Angriff auf die Grundrechte der Ausbildungs- und Meinungsfreiheit bezeichnet. Nun werde Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht, um die skandalöse Entscheidung zu kippen, kündigte ihre Anwältin an.
Dass es bei verdienten Staatsdienern auch anders gehen kann, hatte das Münchner Amtsgericht im Dezember bewiesen. Bei der Verurteilung eines Feuerwehrmanns wegen Vergewaltigung sah das Gericht ausdrücklich von einer höheren Strafe ab, da der Angeklagte sonst seinen Beamtenstatus verloren hätte.
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