Baubosse auf Krawallkurs
Von Oliver Rast
Klug, schlau – so sehen sich weise Experten, etwa die sogenannten Immobilienweisen. Die übergaben am Dienstag Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) das Frühjahrsgutachten ihres Spitzenverbands der Immobilienwirtschaft, dem Zentralen Immobilien-Ausschuss (ZIA) mit seinen mehr als 30 Verbänden und rund 37.000 Unternehmen.
Der Befund aus dem 300 Seiten starken Gutachten: Ein Klima der Unsicherheit drücke auf die Investitionsbereitschaft, wurde ZIA-Präsidentin Iris Schöberl gleichentags in einer Mitteilung zitiert. »Deutschland braucht eine ökonomische Kehrtwende, und die Immobilienbranche hat die Kraft, hier eine Schlüsselrolle zu übernehmen.« Und: Wenn in diesem Frühjahr politisch die Weichen geschickt gestellt würden, könne die Branche, die fast 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liefert, schon 2025 wieder zur Wirtschaftslokomotive werden. Der Effekt Schöberl zufolge: Verbesserungen für Mieter, lebendigere Innenstädte, schönerer Büroalltag in Glaspalästen, Komfortwohnraum für Pflegebedürftige.
Dagegen spricht: die Realität im Bausektor. Das weiß auch die ZIA-Präsidentin. Denn für 2024 sei laut Gutachten nur mit etwa 210.000 neu genehmigten Wohnungen zu rechnen – im Vorjahresvergleich wäre dies ein Rückgang um fast die Hälfte (45 Prozent), ermittelten die Weisen aus der Immowelt. Ferner nehme in den meisten der sieben größten deutschen Städte (»A-Städte«) »die Kluft zwischen Wohnungsbedarf und Bautätigkeit bedrohliche Ausmaße an«.
Was sind aus Branchensicht Gegenrezepte? Erwartbares. Es brauche einen Kurs der Deregulierung, auf allen politischen Ebenen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) solle »eigenkapitalersetzende Mittel und Bürgschaften bereitstellen, um stockende Neubauvorhaben und Sanierungsmaßnahmen zu aktiveren«, fordern die Gutachter. Zudem müssten Flächen für Bauland seitens der Kommunen bereitgestellt werden. Dafür seien vereinfachte Bauvorschriften samt Sonderregeln im Baugesetzbuch erforderlich. Und nicht zuletzt solle die Grunderwerbssteuer für alle Immobilienklassen gesenkt bzw. auf null. Auf kommunale »Abschöpfungsmodelle« zuungunsten der Immobilienwirtschaft müsse verzichtet werden. Kurz, ein klientelistischer, krawalliger Forderungskatalog.
Positionen, die im Kern auch wirtschaftsnahe Fachpolitiker vertreten. »Bauen ist in Deutschland zu teuer«, konstatierte Jan-Marco Luczak (CDU), baupolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, jüngst gegenüber jW. Die Spirale immer strengerer und kostentreibender Standards für die Bauwirtschaft müsse durchbrochen werden. Denn wenn Bauen nicht günstiger werde, sei Wohnen bald unbezahlbar. »Wir brauchen kein Klein-Klein, sondern eine echte Zeitenwende für bessere Rahmenbedingungen beim Bauen«, betonte Luczak weiter. Die schier unübersehbare Vielzahl von Bauvorschriften müsse radikal entschlackt werden, und der Bausektor benötige einen starken Impuls mit klaren Perspektiven bei der Förderung.
Katalin Gennburg (Die Linke) widerspricht. Das Mantra »Bauen-bauen-bauen« sei Teil des Problems und nicht Teil der Lösung, sagte die Sprecherin für Baupolitik und Stadtentwicklung ihrer Berliner Abgeordnetenhausfraktion unlängst jW. Und eh, »die Zeit, Immobossen den roten Teppich auszurollen, muss vorbei sein«. Statt dessen sei ein milliardenschweres kommunales, gemeinnütziges Wohnungsbauprogramm notwendig. Stark staatlich reguliert, mit dauerhafter Belegungsbindung und scharfer Mietpreisbremse.
Fakt ist, der Trend zu höheren Mieten setzt sich fort, berichtete am Dienstag das Handelsblatt gestützt auf den neuen Immobilienpreisindex des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken. Die Neuvertragsmieten bei Mehrfamilienhäusern erhöhten Vermieter im vierten Quartal bundesweit um 4,6 Prozent im Vorjahresvergleich. In »A-Städten« fiel der Mietpreissprung mit 3,9 Prozent etwas geringer aus. Ein Indiz, dass die Mietenexplosion mittelgroße Städte längst erreicht hat. Oder: Ein Befund, den kluge, schlaue Immobilienweisen offenkundig ignorieren.
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