Auf Wählerfang im Plenum
Von Marc Bebenroth![4.jpg](/img/450/205376.jpg)
Das muss eine dieser Sternstunden gewesen sein: Am Dienstag haben die Abgeordneten des Bundestags die letzte Sitzung vor der Wahl am 23. Februar genutzt, um ein »Best-of« ihrer bisherigen Wahlkampfauftritte zu präsentieren. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte das Sowohl-als-auch seiner Partei bei der Finanzierung sozialpolitischer Wohltaten, der Aufrüstung der Bundeswehr und der Förderung von Kapitalisten. Rufe nach niedrigeren Steuern für Reiche kanzelte der um Stimmen aus der Arbeiterklasse werbende Kandidat als »hochgradig ungerecht« und »Schlag ins Gesicht derer, die unser Land am Laufen halten«, ab.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) hielt ihm entgegen, für die derzeit rund drei Millionen Erwerbslosen sowie eine Welle von Unternehmensinsolvenzen verantwortlich zu sein. Das Versprechen der SPD, nach der Wahl Steuern für Reiche zu erhöhen, bezeichnete Merz als »Klassenkampf« wie bei »Juso-Kongressen« und als Ausdruck von »Sozialneid«. Die Bundesregierung wolle Reiche besteuern, US-Präsident Donald Trump gehe da anders vor, betonte Exfinanzminister Christian Lindner (FDP). »Wir haben keinen Mangel an öffentlichen Mitteln«, behauptete er, sondern an »Mut zur Prioritätensetzung«.
Die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel erteilte der höheren Besteuerung von Reichen eine klare Absage und redete dem marktradikalen Prinzip eines Nachtwächterstaates das Wort. Sie schimpfte schließlich gegen »hoch subventionierte« und »viel zu teure« Windkraftwerke, bevor sie sich für eine Renaissance von Atomkraftwerken, Kohlekraftwerken sowie der Öl- und Glasindustrie aussprach.
Vor dem Hintergrund der Warnungen vor einer erstarkenden AfD erklärte die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht, dass nicht eine mögliche Regierungsbeteiligung der Rechtsaußenpartei das Mützenichsche »Tor zur Hölle« öffnen würde, sondern die Lieferung von »Taurus«-Marschflugkörpern an die Ukraine zum Beschuss von Zielen weit hinter der russischen Grenze. »Diese Hölle heißt Krieg«, warnte Wagenknecht.
Seinen letzten Auftritt im Bundestag nutzte der frühere SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, um sich an die Union zu wenden. Er verteidigte sie und die FDP gegen den Vorwurf, dem Faschismus Vorschub zu leisten, und bedauerte, dass die Merz-CDU ein Interesse am »bundesrepublikanischen Grundkonsens« vermissen lasse. Dazu zählte er unter anderem »Israel, Westbindung, Wiederbewaffnung« zu den »Eckpfeilern Deutschlands«.
Heidi Reichinnek (Die Linke) fasste nahezu sämtliche sozialpolitischen Forderungen ihrer Partei zusammen. Sie forderte die Einführung eines Mietendeckels, finanzielle Entlastungen für Lohnabhängige mit niedrigen Einkommen und die effektive Besteuerung von Vermögenden. Wo der Staat die Ansiedlung von Unternehmen fördere, müssten dafür Bedingungen wie das Zahlen von Tariflöhnen gestellt werden. Es brauche »dringend gute Löhne, um den Wohlstand in diesem Land fair zu verteilen«, sagte die Linke-Abgeordnete. »Für all das werden wir im nächsten Bundestag weiterkämpfen.« Reichinnek forderte schließlich die Abschaffung des Strafrechtsparagraphen 218, der Schwangerschaftsabbrüche kriminalisiert.
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