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Aus: Ausgabe vom 14.02.2025, Seite 15 / Feminismus
Polen

Teilerfolg für polnische Aktivistin

Repressives Abtreibungsrecht: Urteil wegen »Beihilfe« aufgehoben – aus formalen Gründen
Von Reinhard Lauterbach, Poznań
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Protest nach Justyna Wydrzyńskas Verurteilung in Wrocław (14.3.2023)

Die polnische Aktivistin für das reproduktive Selbstbestimmungsrecht, Justyna Wydrzyńska hat im Kampf um die Aufhebung ihrer Verurteilung wegen »Beihilfe zum Schwangerschaftsabbruch« einen Teilerfolg erzielt. Das Warschauer Berufungsgericht hob am Donnerstag ein 2023 gegen sie ergangenes Urteil auf, in dem sie zu acht Monaten gemeinnütziger Arbeit verdonnert worden war. Allerdings begründete der Vorsitzende Richter der Berufungskammer die Aufhebung des alten Urteils mit dem formalen Argument, dass die damals urteilende Richterin »nicht ordnungsgemäß berufen« worden sei – also mit dem seit Jahren anhaltenden Streit um die Tätigkeit der von der rechtskonservativen PiS-Partei ernannten Richter. Zum Inhalt des Verfahrens nahm der Richter ausdrücklich nicht Stellung und ordnete an, dass das Warschauer Bezirksgericht den Prozess neu aufrollen müsse.

Hintergrund ist die Unterstützung einer ungewollt schwangeren Frau durch die Aktivistin der Selbsthilfegruppe »Abortion Dream Team« aus dem Jahre 2020. Wydrzyńska war auf deren Not­situation aufmerksam geworden und hatte der Betroffenen ihre eigenen, auf Vorrat gekauften Tabletten für einen medikamentösen Schwangerschaftsabbruch zukommen lassen. Die Frau hatte die Tabletten jedoch nicht nutzen können, weil ihr Partner, der sie zum Austragen der Schwangerschaft zwingen wollte, die Sendung abgefangen und die Polizei benachrichtigt hatte. Diese hatte die Tabletten beschlagnahmt.

Vor Gericht argumentierte Wydrzyńska, dass sie der Betroffenen aus uneigennützigen Motiven habe helfen wollen. Menschen in Not zu helfen, dürfe niemals strafbar sein, ob man nun einem Kranken einen Becher Suppe reiche, einem Obdachlosen eine warme Jacke schenke oder eben einer ungewollt schwangeren Frau die Tabletten, um die Schwangerschaft abzubrechen. Bei der Richterin der ersten Instanz war sie mit diesen Argumenten nicht durchgedrungen; die Juristin gehörte zur Gruppe der sogenannten Neurichter und wurde unmittelbar nach dem Urteil in der Causa Wydrzyńska vom damaligen rechten Justizminister Zbigniew Ziobro an ein höherrangiges Gericht befördert. Was den Verdacht nährte, dass das Urteil eben aus politischen Gründen ergangen sei.

Von mehr als einem Teilerfolg kann man in diesem Fall also nicht sprechen. Die in der Sache strittige Frage, ob »Beihilfe zum Schwangerschaftsabbruch« strafbar sein solle, wurde in dem Urteil vom Donnerstag ausdrücklich ausgeklammert. Sie wird also weiterhin Gegenstand politischer Kontroversen sein, und die Aussichten auf eine politische Lösung in Form der Aufhebung dieser Bestimmung sind allenfalls mäßig.

Denn die in Polen regierende liberale Koalition ist sich selbst nicht einig, wie sie mit der Frage des Schwangerschaftsabbruches umgehen soll. Daran sind bisher alle Versuche, diesen als solchen straffrei zu stellen – was dann zwangsläufig auch für die unterstellte Beihilfe hätte gelten müssen –, gescheitert: Die konservative Bauernpartei PSL, die in der Regierungskoalition sitzt, stimmte in mehreren Abstimmungen gemeinsam mit der PiS gegen die Entkriminalisierung, und Premierminister Donald Tusk hat erkennbar kein Interesse daran, die Grenzen der eigenen Entscheidungsfähigkeit ein weiteres Mal am Thema Schwangerschaftsabbruch demonstriert zu bekommen. Vieles wird jetzt vom Ausgang der Präsidentschaftswahl am 18. Mai – mit Stichwahl am 1. Juni – abhängen. Der liberale Kandidat Rafał Trzaskowski hat angekündigt, ein entsprechendes Gesetz abzuzeichnen; sein konservativer Gegenkandidat Karol Nawrocki will hiervon nichts hören und hat angekündigt, sogar noch den repressiven »Abtreibungskompromiss« von 1993 wieder rückgängig machen zu wollen.

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