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Aus: Ausgabe vom 14.02.2025, Seite 15 / Feminismus
Iran

Journalistinnen begnadigt

Iran: Verurteilungen von Reporterinnen, die Tod Aminis öffentlich machten, aufgehoben. Proteste gegen politische Verfolgung gehen weiter
Von Yaro Allisat
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Mut gegen repressives Regime: Eine Iranerin protestiert ohne Hidschab in Teheran (16.9.2022)

Sie waren die ersten, die im September 2022 über den Tod der kurdischen Iranerin Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam berichteten, der die landesweiten »Frauen, Leben, Freiheit«-Proteste auslöste. In der Folge wurden sie von dem islamischen Regime festgenommen. Den Journalistinnen, die für den Ausbruch der Proteste verantwortlich gemacht wurden, drohte zunächst sogar die Todesstrafe. Am Dienstag vermeIdete die iranische Justiznachrichtenagentur Misan, dass Nilufar Hamedi und Elaheh Mohammadi begnadigt und alle Verurteilungen gegen sie fallengelassen wurden.

Hamedi und Mohammadi waren zunächst wegen »Propagandaaktivitäten gegen das Regime« und »Versammlung gegen die nationale Sicherheit« angeklagt sowie dem Vorwurf ausgesetzt, als ausländische Agentinnen für »westliche und zionistische Geheimdienste«, insbesondere der USA, im Iran Unruhe zu stiften. Letzteres kann mit der Todesstrafe geahndet werden. Verurteilt wurden sie durch ein Revolutionsgericht zu 13 (Hamedi) und zwölf (Mohammadi) Jahren Haft. Im Januar 2024 wurden sie nach 17 Monaten Haft gegen eine Kaution von umgerechnet 18.000 Euro aus dem Evin-Gefängnis nahe Teheran entlassen. Ihre Strafen wurden auf jeweils fünf Jahre reduziert, nachdem ein Gericht sie von weiteren Vorwürfen der »Kollaboration mit den Vereinigten Staaten« freigesprochen hatte. Im Anschluss wurde jedoch ein neues Verfahren gegen sie eröffnet, weil Hamedi und Mohammadi Bilder von sich ohne Kopftuch veröffentlicht hatten.

Der vermeintlich nicht korrekt sitzende Hidschab war im September 2022 auch der Grund für die Festnahme Aminis durch die sogenannte Sittenpolizei. Laut Misan hätten die beiden Journalistinnen in einem Schreiben an die Justizbehörde nun versichert, »keine illegalen Handlungen zu begehen, wie sie es nach ihrer vorübergehenden Entlassung aus dem Gefängnis (in den vergangenen Monaten) getan hatten«. Der Tod Aminis war landesweit der Auslöser für Proteste, die international unter dem Motto »Frauen, Leben, Freiheit« bekannt wurden. Das einzige Foto der jungen Kurdin aus dem Kasra-Krankenhaus, in dem sie starb, stammt von Hamedi und verbreitete sich international. Die beiden Journalistinnen waren zunächst ohne offizielle Anklage festgenommen und in das Evin-Gefängnis verbracht worden, in dem viele politische Gefangene eingesperrt sind.

Die Menschenrechtsaktivistin ­Mariam Claren, deren Mutter Nahid Taghavi ebenfalls mehr als vier Jahre dort eingesperrt war und erst im Januar entlassen wurde, betonte am Mittwoch im Gespräch mit Radio 3, dass die beiden Journalistinnen nie für die Ausübung ihrer Arbeit hätten verhaftet werden dürfen. Die Begnadigung sei laut Claren ein Akt des Regimes, um kurz nach dem 46. Jahrestag der Islamischen Republik zu zeigen, wie »barmherzig« und »humanitär« man sei. »In Wirklichkeit sind das politische Entscheidungen, die schon lange im Hintergrund getroffen wurden. Es ist Teil des Marketingapparats.« Laut Claren wollen beide wieder als Journalistinnen arbeiten, könnten jedoch aufgrund der Verhaftung einem Berufsverbot unterliegen.

Mohammadi berichtete vor ihrer Verhaftung hauptsächlich über Frauenrechte und soziale Themen, unter anderem bei der Tageszeitung Hammihan. Hamedi schrieb zunächst als Sportjournalistin und setzte sich dafür ein, dass iranische Frauen als Zuschauerinnen an Sportveranstaltungen teilnehmen dürfen. Später arbeitete sie als Reporterin für die Zeitung Shargh. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von »Reporter ohne Grenzen« steht der Iran auf Platz 176 von 180. Nach Angaben der Organisation wurden seit der Islamischen Revolution 1979 dort Hunderte Journalisten strafverfolgt, inhaftiert oder hingerichtet. Medien unterliegen systematischer staatlicher Kontrolle, und das Internet wird umfassend zensiert und überwacht. Kritische Journalisten werden drangsaliert, willkürlich inhaftiert oder in unfairen Verfahren zu langen Haftstrafen verurteilt.

Auch wenn der Höhepunkt der »Frauen, Leben, Freiheit«-Proteste vorüber ist, demonstrieren die Menschen immer wieder. Anfang November war die Studentin Mahla Daryaee in Unterwäsche über den Hof der Asad-Universität in Teheran gelaufen und wurde damit zum Symbol gegen die Geschlechterapartheid im Iran. Sie wurde in eine psychiatrische Klinik gebracht und rund zwei Wochen später entlassen. Im Januar riefen kurdische Organisationen und Parteien zu einem Generalstreik angesichts der Todesurteile gegen die kurdische Sozialarbeiterin Pakhshan Azizi und die kurdische Aktivistin Varisheh Moradi auf. Und vor dem Evin-Gefängnis versammelten sich am Dienstag erneut Angehörige und früher selbst Inhaftierte, um gegen die zunehmende Zahl an Hinrichtungen zu demonstrieren. Im vergangenen Jahr ist das Todesurteil auch gegen mindestens 33 Frauen vollstreckt worden.

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