Rüsten, bis es kracht
Von Arnold Schölzel![01_neu.jpg](/img/450/205502.jpg)
Mehrfach haben die USA verlangt, dass die Staaten der Europäischen Union ihre Aufrüstung deutlich erhöhen, und die jüngsten Äußerungen von US-Präsident Donald Trump und seines Verteidigungsministers Pete Hegseth zeigen an: Sie meinen es ernst. Nach Lage der Dinge profitiert von rascher Aufrüstung in Europa in hohem Maße die US-Rüstungsindustrie.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will jedenfalls nach entsprechenden US-amerikanischen Aussagen zur »europäischen Sicherheitslage« nicht zulassen, dass »die Sicherheit unseres Landes und unseres Kontinents« aufs Spiel gesetzt wird. Auf einer am Freitag kurzfristig anberaumten Pressekonferenz im Bundeskanzleramt verwies er auf die von ihm am 27. Februar 2022 ausgerufene »Zeitenwende« und erklärte: »Heute stehen wir erneut an solch einem Punkt. Heute müssen wir uns der Realität stellen, die das Handeln und die Ankündigungen der US-Regierung für die Ukraine, für Europa und für die Welt bedeuten.«
Um für die USA ein »Verbündeter auf Augenhöhe« zu bleiben, müsse »Europa« erheblich mehr für die »Sicherheit« leisten. Es sei »immer klar gewesen«: Das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr »kann nur ein erster Schritt sein«. Allein um das Zweiprozentziel der NATO zu halten, seien ab 2028 zusätzlich 30 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt nötig. Jedes weitere Prozent, das fürs Militär ausgegeben werde, entspreche »nach jetzigem Stand noch einmal 43 Milliarden Euro mehr«. Bis Ende des Jahrzehnts gehe es akkumuliert um dreistellige Milliardenwerte – »gewaltige Beträge«. Die von ihm verlangte beschleunigte Aufrüstung dürfte das Programm der nächsten Bundesregierungen werden.
Scholz machte drei Vorschläge. Erstens: »Wir brauchen eine Reform der Schuldenbremse, um Investitionen in unsere Sicherheit und Verteidigung davon auszunehmen.« Es gehe »um den Frieden und die Sicherheit unseres Landes«.
Zweitens: »Der Bundestag sollte schnellstmöglich einen Beschluss fassen, wonach der Krieg in der Ukraine und seine schwerwiegenden Folgen für die Sicherheit Deutschlands und Europas als Notlage im Sinne des Artikels 115 Absatz 2 des Grundgesetzes (dort: ›Normallage‹ versus ›Notsituationen‹, jW) eingestuft werden.« Dies würde laut Scholz dazu führen, dass die Unterstützung der Ukraine nicht weiter zu Lasten anderer Aufgaben gehe, die der Staat »gegenüber den eigenen Bürgerinnen und Bürgern zu erfüllen hat«.
Drittens: »Wir werden die Diskussion innerhalb der Europäischen Union voranbringen, wie wir Investitionen in unsere Verteidigung und den Aufbau einer starken europäischen Verteidigungsindustrie wirklich hinbekommen.«
Letzteres unterstrich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) bei einer fast gleichzeitig gehaltenen Rede auf der Münchner »Sicherheitskonferenz«. Sie will die EU-Schuldenregeln lockern, um den Mitgliedstaaten deutlich höhere Militärausgaben zu ermöglichen, und kündigte an, dass sie dafür erstmals seit der Covid-19-Pandemie die Nutzung einer »Sonderregel« im Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) vorschlagen werde. Für den Bereich Verteidigung solle die sogenannte Ausweichklausel des Pakts genutzt werden: »Das wird es den Mitgliedsländern erlauben, ihre Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen.« Sie begründete dies mit dem Aufruf der USA, »die Europäer« müssten selbst für ihre Verteidigung sorgen und den Großteil der »Militärhilfen« für die Ukraine übernehmen.
Die EU hatte die »Ausweichklausel« während der Coronapandemie genutzt und die Schuldenregeln damit ab 2020 bis Ende 2023 auf Eis gelegt. Der SWP erlaubt den Ländern ein Defizit von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts und eine Gesamtverschuldung von 60 Prozent. Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten sich bereits Anfang Februar auf einem »Sicherheitsgipfel« auf mehr »Flexibilität« bei den Schuldenregeln verständigt und von der Leyen mit einem Vorschlag beauftragt.
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