Der Zionisten bester Freund
Von Knut Mellenthin
Israels Finanzminister Bezalel Smotrich hofft, mit der von Donald Trump befürworteten Aussiedlung aller Palästinenser aus dem Gazastreifen schon in den nächstewn Wochen beginnen zu können, auch wenn das Tempo zunächst langsam sein und erst allmählich gesteigert würde. Das bekundete der Vorsitzende der ultrarechten »Nationalreligiösen Partei – Religiöser Zionismus« am Sonnabend in einem Interview mit dem israelischen Privatsender Kanal 12. Für diese »Lösung«, die nach internationalem Recht den Straftatbestand des Völkermords (Genozids) erfüllt, tritt Smotrich spätestens seit Oktober 2023, dem Beginn des gegenwärtigen Krieges im Gazastreifen und im Westjordanland, völlig offen und uneingeschränkt ein. Dass es dafür jetzt grünes Licht vom US-Präsidenten gibt, der am 20. Januar seine zweite Amtszeit angetreten hat, stellt für alle Zionisten, die den »Transfer« der indigenen Bevölkerung schon immer im Programm hatten, eine ungeheure Ermutigung dar. Trump ist der erste US-Präsident, der dieses Ziel nicht nur still toleriert, sondern explizit selbst auf die Tagesordnung gesetzt hat.
Im Gespräch mit Kanal 12 sagte Smotrich, die Vorbereitungen für die Durchführung des Trump-Plans seien schon im Gange. Die gemeinsamen Arbeiten mit dem Team des US-Präsidenten hätten begonnen. Er nehme an, dass die meisten Bewohner des Gazastreifens diesen bereitwillig verlassen würden. Palästinenser hätten dort »in den nächsten zehn bis 15 Jahren nichts zu suchen«. Wenn Israel erst einmal zur Kriegführung zurückgekehrt sei »und ganz Gaza aussieht wie Dschabalija« – ein besonders systematisch zerstörtes Flüchtlingslager – »gibt es dort überhaupt nichts mehr zu suchen«.
Aber zunächst müssten zwei Voraussetzungen des Plans geschaffen werden, erläuterte Smotrich. Die erste bestehe natürlich darin, Aufnahmeländer für die Bewohner Gazas zu finden, und die zweite sei die riesige logistische Operation, die nötig sei, um derart viele Menschen wegzuschaffen. Die Bevölkerung des Gazastreifens wird auf ungefähr 2,3 Millionen geschätzt.
Auch von einer anderen Seite her wird schon an der zeitnahen Verwirklichung des Projekts gearbeitet: Verteidigungsminister Israel Katz wies die Streitkräfte am 6. Februar an, einen Plan für die »Ausreise« von Palästinensern, die dies wünschten, aus dem Gazastreifen zu entwickeln. Neben »Austrittsoptionen« durch die Grenzübergänge sollten auch »spezielle Arrangements zur Abreise auf dem Wasser und in der Luft« angeboten werden. Den Bewohnern solle die Freiheit gestattet werden, ihr Land zu verlassen und auszuwandern, wie es überall auf der Welt üblich sei, sagte Katz dazu. Vom entscheidenden Unterschied, der Verweigerung jeder Rückkehrmöglichkeit, sprach der Minister nicht. Gleichzeitig behauptete er, Länder wie Spanien, Irland, Norwegen und andere, die Israels Kriegführung kritisieren, seien »rechtlich verpflichtet«, jeden »Auswanderer« aus dem Gazastreifen aufzunehmen. Am Montag dieser Woche ordnete Katz die Bildung einer neuen Dienststelle innerhalb seines Ministeriums an, die die »Emigration« von Palästinensern aus dem Gazastreifen in Drittländer koordinieren und unterstützen soll.
Trump hatte das Thema erstmals am 25. Januar öffentlich ins Spiel gebracht. An diesem Tag nutzte er einen Inlandflug mit der Präsidentenmaschine Air Force One für eine Pressekonferenz. Das ganze Gebiet sei »eine Abbruchbaustelle« und »ein echter Mist«, erklärte er den mitfliegenden Journalisten. Deshalb wolle er mit einigen arabischen Staaten ins Geschäft kommen und »an anderer Stelle Behausungen bauen, wo sie zur Abwechslung in Frieden leben können«. Vor allem denke er an Jordanien und Ägypten. Die beiden Länder stehen hinter der Ukraine und Israel auf den Plätzen drei und vier der Empfänger US-amerikanischer Hilfe und sind auf diese wegen ihrer Wirtschaftsprobleme angewiesen. Auf die Frage, ob er an eine zeitweise oder an eine langfristige Maßnahme denke, antwortete Trump, beides sei möglich. Erst in den folgenden Tagen legte er sich eindeutig darauf fest, dass es sich um eine endgültige »Umsiedlung« handeln sollte.
Entsprechende Pläne lagen in Israel schon vor dem 7. Oktober in der Schublade. Israelische Medien berichteten am 29. Oktober 2023 über ein ausführliches Memorandum aus dem Geheimdienstministerium, das auf den 13. Oktober datiert worden war und wahrscheinlich längere Vorarbeit erfordert hatte. Das Papier sah die »Umsiedlung« der gesamten Bevölkerung des Gazastreifens in den Norden der ägyptischen Sinaihalbinsel vor, wo die Vertriebenen zunächst in Zelten untergebracht werden sollten.
Dass die Regierungen Ägyptens und Jordaniens bei der von ihm geplanten »Leerung« des Gazastreifens nicht mitwirken wollen und außerdem vor einer drohenden Destabilisierung ihrer Länder warnen, hält der US-Präsident immer noch nicht für unumstößlich. Schließlich hätten die USA ihnen »Milliarden und Milliarden« gezahlt, also seien sie ihm Entgegenkommen schuldig.
Außerdem hat der Immobilienentwickler seine Idee dahingehend vorangetrieben, dass er den Gazastreifen »übernehmen« und »besitzen« werde. Wie das rechtlich, politisch und finanziell vor sich gehen soll, bleibt unklar. Nicht einmal von einer Bezahlung des rechtmäßigen Eigentümers, der palästinensischen Regierung, ist mehr die Rede. Am Dienstag voriger Woche räsonierte Trump im Weißen Haus vor Journalisten in Gegenwart des jordanischen Königs Abdullah II.: »Wir werden Gaza haben. Wir müssen es nicht kaufen. Da gibt es nichts zu kaufen. Wir werden Gaza haben. Wir nehmen es, wir behalten es, wir pflegen es.« – Mit Netanjahu hat er das vermutlich nicht abgesprochen.
Hintergrund: »›No‹ to ethnic cleansing«
Hunderte jüdische Künstler, Autoren und Aktivisten haben vergangenen Donnerstag zusammen mit mehr als 350 Rabbinern eine Anzeige in der New York Times gegen die geplante Zwangsaussiedlung der Bevölkerung aus dem Gazastreifen unterzeichnet. Der Text, dem eine lange Namensliste folgt, ist kurz und eindeutig: »Trump has called for the removal of all Palestinians from Gaza. Jewish people say ›No‹ to ethnic cleansing!« (Trump hat die Entfernung aller Palästinenser aus Gaza gefordert. Juden sagen »Nein« zu ethnischer Säuberung) – Die Tageszeitung Haaretz hob in ihrem Bericht über die Aktion hervor, dass Rabbiner aller Richtungen des Judentums beteiligt seien: Konservative – so bezeichnet sich in den USA die traditionelle Hauptströmung –, Orthodoxe und Reformer.
Zu den anderen Unterzeichnern gehören die auch in Deutschland bekannten Judith Butler (Philosophin), Naomi Klein (Autorin), Ilana Glazer und Peter Beinart. Der 53jährige, der mit seiner Familie einer orthodoxen Gemeinde angehört, hatte schon in seinem 2012 erschienenen Buch »The Crisis of Zionism« vor der starken Rechtsentwicklung unter den Juden Israels und der USA gewarnt. Im Januar ist sein viertes Buch, »Being Jewish after the Destruction of Gaza«, erschienen. Haaretz zitiert ihn mit der Aussage, es sei »äußerst erschreckend, in welchem Grad Menschen, die in unserer Gemeinschaft große Legitimation und Respekt genießen, dazu bereit sind, etwas zu unterstützen, das man als eines der größten Verbrechen des 21. Jahrhunderts betrachten wird«. Die US-Schauspielerin Glazer erklärt demzufolge: »Wir Juden und alle von uns, die sich um die grundlegenden Menschenrechte sorgen, müssen das Wort ergreifen und aufstehen, um sicherzustellen, dass die Palästinenser in ihrem Land bleiben, damit sie nach der genozidalen Zerstörung, die sie erlitten haben, ihre Häuser und Leben in Gaza wiederaufbauen können.« (km)
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