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Aus: Ausgabe vom 19.02.2025, Seite 7 / Ausland
Türkei

Linke weggesperrt

Türkei: Dutzende Oppositionelle und andere Progressive verhaftet. Repressionswelle erfolgt vor möglichem Ausgleich mit Arbeiterpartei Kurdistans
Von Tim Krüger
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Kundgebung für Frieden nicht gestattet: Einsatzkräfte gehen in Diyarbakır gegen Aktivisten vor (8.2.2025)

Kaum scheint ein Dialog in greifbare Nähe gerückt, folgt sogleich die Repression: In der Türkei ist es am Dienstag morgen erneut zu Massenverhaftungen von linken und sozialistischen Oppositionellen gekommen. Nach ersten Angaben wurden bei Polizeieinsätzen in mindestens zehn Provinzen des Landes 52 Menschen festgenommen. Insgesamt wurden 60 Haftbefehle erlassen. Unter den Festgenommenen befinden sich nach Angaben türkischer Journalisten neben Mitgliedern linker Organisationen und Parteien auch mehrere Medienschaffende und Künstler.

Im Mittelpunkt der Repressionswelle steht allem Anschein nach der Demokratische Kongress der Völker (HDK), eine Dachorganisation verschiedener linker und sozialistischer Parteien, Organisationen und gesellschaftlicher Initiativen in der gesamten Türkei, die 2011 auf Initiative kurdischer Parteien gegründet wurde. Dutzende Festgenommene haben in der Vergangenheit an Aktivitäten und in den Strukturen des HDK mitgewirkt. Laut der regierungsnahen Nachrichtenagentur Ahaber soll das Vorgehen Teil einer laufenden Ermittlung gegen den HDK sein. Dieser stelle eine »legal aussehende Frontorganisation« der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und eine »Alternativversammlung« zum türkischen Parlament dar, so der Vorwurf der Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft.

Bei dem Einsatz am Dienstag könnte es sich möglicherweise um einen größer angelegten Schlag gegen die Opposition in der Türkei handeln. Innenminister Ali Yerlikaya (AKP) sprach am Morgen davon, dass allein in den vergangenen fünf Tagen 282 Personen in 52 Provinzen festgenommen worden seien. Dienstag vergangener Woche war der Bürgermeister der kurdischen Großstadt Van zunächst zu einer Haftstrafe von über drei Jahren verurteilt worden, am Sonnabend wurde er durch einen Zwangsverwalter ersetzt – eine Praxis, die seit den Kommunalwahlen im März 2024 nicht abreißt. Seitdem kommt es in der Stadt im Osten des Landes zu heftigen Massenprotesten.

Der Vorsitzende der Partei der Arbeit (Emep) in Istanbul, İskender Bayhan, erklärte überdies, dass befürchtet werde, es könnte sich nur um die erste Phase einer Operation handeln, die weit größere Kreise ziehen könnte. Nach seinen Informationen könnten allein von dem seit 2021 laufenden Verbotsverfahren gegen die linke Demokratische Partei der Völker (HDP) etwa 6.000 Personen betroffen sein – 1.600 davon lebten demnach in Istanbul.

Die Dem-Partei, die daraufhin 2023 das Erbe der HDP antrat, sagte, dass der Einsatz in Zusammenhang mit der sich jüngst erneut eröffnenden Möglichkeit eines Dialogprozesses zwischen der türkischen Regierung und der PKK stehen könnte. Es sei offensichtlich, »dass die Aussicht auf eine Lösung und auf Frieden einigen Menschen allmählich den Schlaf raubt«, so die Partei in einer ersten Erklärung. Jeden Tag werde gegen diejenigen vorgegangen, die an einer friedlichen Beilegung des Konfliktes arbeiten. Bei den Verhaftungen handle es sich »um einen Totalangriff auf die Gesellschaft, den Willen des Volkes und die Suche nach Lösungen, Demokratie und Frieden«.

Schon seit geraumer Zeit gibt es Befürchtungen, Teile des türkischen Staates könnten versuchen, den von PKK-Gründer Abdullah Öcalan angestrebten Prozess zu sabotieren. Beobachter äußern vor allem Bedenken an den Intentionen der regierenden AKP unter Führung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Die Partei hatte sich im Gegensatz zu ihrem kleineren Koalitionspartner MHP kaum an der öffentlichen Debatte über eine mögliche Freilassung des seit 26 Jahren inhaftierten Öcalan beteiligt und immer wieder widersprüchliche Signale gesendet.

Dabei könnte der Zeitpunkt der Repressionswelle bewusst gewählt sein. So war die Delegation der Dem-Partei, die an Gesprächen mit Öcalan auf der Gefängnisinsel Imralı beteiligt war, derweil in der Autonomen Region Kurdistan im Irak zu Gast, um dort den Dialog mit den Parteien KDP und PUK zu suchen. Die Region ist von Bedeutung, da das in ihr gelegene Kandilgebirge der PKK als Hauptquartier dient. Die Dem-Vertreter erklärten sich zufrieden über den Verlauf der Gespräche und erklärten, Botschaften Öcalans übermittelt zu haben.

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