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Aus: Ausgabe vom 21.02.2025, Seite 15 / Feminismus
Sexismus

Noch ein langer Weg

Spanien: Nur Geldstrafe im Prozess um Übergriff im Frauenfußball – aber Wirkung über Sport hinaus
Von Carmela Negrete
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Den Weg aufgezeigt: Jennifer Hermoso nach dem WM-Sieg in Australien (Sydney, 20.8.2023)

Es gibt Gerichtsprozesse, die ein Exempel für die Zukunft statuieren. So auch das Verfahren um den »berühmten« Kuss im Frauenfußball, über den ganz Spanien spricht und der bis vergangene Woche vor Gericht verhandelt wurde. »Dieser Kuss hätte nie stattfinden dürfen«, bekräftigte die betroffene Fußballspielerin Jennifer Hermoso erneut vor der Richterin in San Fernando de Henares nahe Madrid.

Im Sommer 2023 hatte der damalige Nationaltrainer Luis Rubiales Hermoso in Sydney nach dem Sieg der Frauenfußballweltmeisterschaft grob auf den Mund geküsst – nach seiner Darstellung im Konsens, nach Ansicht der Spielerin ungefragt. Rubiales verlor zwar in der Folge seinen Job, am Donnerstag wurde er jedoch vom Nationalen Gerichtshof vom Vorwurf der Nötigung freigesprochen. Er muss nun lediglich 10.800 Euro aufgrund des sexuellen Übergriffs zahlen. Zudem ist es Rubiales ein Jahr lang verboten, sich Nationalspielerin Hermoso im Umkreis von 200 Metern zu nähern. Gegen die Entscheidung kann Berufung eingelegt werden.

Die Staatsanwältin hatte zweieinhalb Jahre Haft für den früheren Präsidenten des Königlich-spanischen Fußballverbandes gefordert – ein Jahr wegen des aufgezwungenen Kusses und anderthalb Jahre wegen Nötigung. Seit einer Reform des spanischen Strafrechts gilt ein nicht einvernehmlicher Kuss als sexueller Übergriff. Die Anklage wegen Nötigung war neben Rubiales auch gegen den damaligen Frauennationaltrainer Jorge Vilda sowie zwei ehemalige Verbandsfunktionäre erhoben worden. Das Quartett soll Hermoso in den Tagen nach dem WM-Finale gedrängt haben, sich der Darstellung eines einvernehmlichen Kusses anzuschließen.

Die Offenheit, mit der Hermoso sich gegen den Übergriff wehrte, machte sie zu einer Symbolfigur im Kampf gegen Sexismus im Sport. Unter dem Hashtag »#SeAcabó« (Es reicht) forderten die spanischen Fußballerinnen in den Onlinenetzwerken Frauen auf, Machogewalt und Ungerechtigkeit anzuprangern. Hermoso spielt mittlerweile in Mexiko; Madrid habe sie mit ihrer Familie verlassen müssen, weil sie Angst verspürt habe. »Bis heute fühlt es sich an, als wäre mein Leben auf Stand-by«, so Spaniens Rekordtorschützin laut AFP.

Der Prozess um den Übergriff des Trainers hat auch auf anderen Ebenen eine Rebellion ausgelöst. Er »bietet uns eine praxisnahe und aktuelle Lektion über Feminismus, sexualisierte Gewalt und Macht«, hieß es dazu in einem Leitartikel der Tageszeitung Diario Red, »sowie über das Konzept, das sie verbindet: die Zustimmung«. Das Medium kritisierte jene Männer aus dem spanischen Fußball, die Rubiales vor Gericht verteidigt und die Aussagen Hermosos herunterspielt haben. Die Frauen müssten sich durchkämpfen in einer Männerwelt, in der es nicht selten auch um Korruption gehe. Die Forscherin und Journalistin Zuriñe Rodriguez fasste es meisterhaft auf der feministischen Webseite Pikara zusammen: »Die pa-triarchale Straflosigkeit, die in den oberen Machtstrukturen wirkt, stützt sich auf ein klientelistisches Netzwerk aus Misogynie, das auf Gefälligkeiten und gegenseitigen Schulden unter Männern basiert und von dem Frauen fast immer ausgeschlossen sind.«

Die Aufmerksamkeit für den Frauenfußball ist durch den Prozess ebenfalls gestiegen. Es gab regelmäßig Berichte, die sich nicht nur auf das Verfahren beschränkten, sondern sich auch allgemein mit bevorstehenden Spielen des nationalen Frauenteams oder deren Arbeitsbedingungen befassten. Seit 2022 ist der Frauenfußball in Spanien auch als Profisportart anerkannt. Allerdings verdienen Frauen dabei um ein Vielfaches weniger als Männer für die gleiche Arbeit. Laut Tarifvertrag beträgt das Mindestgehalt für eine professionelle Spielerin der obersten Liga F (Femenina) in der laufenden Saison mindestens 21.000 Euro brutto plus 800 Euro jährlich. Zum Vergleich: Der Mindestlohn in Spanien liegt bei rund 16.000 Euro brutto im Jahr.

Zuletzt wurde der Tarifvertrag Ende Januar neu verhandelt. Darin sind nun auch Zeiten für das Stillen vorgesehen sowie die Betreuung der Kinder in eigenen Kitas. Sportlerinnen, die keinen Sponsor haben, bekommen die teuren Fußballschuhe vom Verband bezahlt, und es gibt Stipendien für Studium und Ausbildung.

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