Dreckige Atemluft und laxe Grenzwerte
Von Oliver Rast
Tief durchatmen, mit vollem Lungenvolumen. Nicht immer die beste Idee, schon gar nicht in Ballungszentren. Denn die Atemluft hierzulande ist weiterhin verschmutzt, nahezu flächendeckend gesundheitsschädlich belastet mit Feinstaub und Stickstoffdioxid, berichtete die Deutsche Umwelthilfe (DUH) am Donnerstag auf Basis neuer Luftqualitätsdaten des Umweltbundesamts (UBA) für das Jahr 2024. Vor allem: Die DUH beklagt rund 70.000 Todesfälle jährlich in der BRD aufgrund der Luftverschmutzung – und das trotz erstmals seit 2008 eingehaltener Grenzwerte.
Dirk Messner spricht hingegen von einer positiven Entwicklung. Denn das Einhalten der Grenzwerte sei kein Selbstläufer, wurde der UBA-Präsident am Donnerstag in einer Mitteilung zitiert. »Sondern Ergebnis gezielter Luftreinhaltemaßnahmen auf Ebene der EU, des Bundes, der Länder und Kommunen.« Abgasnachbehandlungen, etwa durch Partikelfilter und schärfere Abgasnormen, hätten zu reduzierten Emissionen im Verkehrsbereich geführt. Und: »Maßnahmen wie die Elektrifizierung von Bussen im ÖPNV, das Verflüssigen von Verkehren und Geschwindigkeitsreduzierungen trugen vor Ort ebenso zur Verbesserung bei.«
Nur: Die geltenden Grenzwerte sind mehr als 20 Jahre alt. Sie entsprechen nicht mehr wissenschaftlichen Erkenntnissen über die gesundheitlichen Auswirkungen von Luftverschmutzung. Unter anderem empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) deutlich niedrigere Richtwerte.
Dringend notwendig, findet Jürgen Resch. Das UBA streue Bürgern aber Sand in die Augen, sagte der DUH-Bundesgeschäftsführer in einem am Donnerstag veröffentlichten Statement. Weil? »Es gibt keinen einzigen Landkreis in Deutschland, in dem die nach wie vor dramatische Luftverschmutzung nicht zu Erkrankungen und Todesfällen führt.« Sich trotz des Gesundheitsnotstandes für die erstmalige Einhaltung einer seit Jahrzehnten bestehenden Verpflichtung zu rühmen sei eine Verhöhnung all jener, »die in den vergangenen Jahren unter der hohen Belastung krank geworden sind, deren Gesundheit sich verschlechtert hat oder die sogar daran verstorben sind«.
Resch fordert, dass bis 2035 die strengeren Grenzwertvorschläge der WHO als verbindlich gelten müssen. Spätestens und bundesweit. Dann lässt sich auch wieder tief luftholen. Relativ gefahrlos.
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