Gute und schlechte Gäste
Von Jörg Tiedjen
Es ist kein Einzelfall und keine Premiere: Am Donnerstag wurde eine Gruppe von EU-Parlamentariern auf dem Flughafen der Stadt Laâyoune auf unsanfte Weise von marokkanischen Einsatzkräften daran gehindert, das Flugzeug zu verlassen, und eine Stunde später wieder abgeschoben. Die Delegation bestand aus den Abgeordneten Catarina Martins aus Portugal, Isabel Serra aus Spanien und Jussi Saramo aus Finnland. Laut der Infoseite EC Saharaui wollten sie in der von Marokko besetzten Westsahara »eine Beobachtungsmission zur Anwendung der jüngsten Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) durchführen, mit denen die Agrar- und Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko für nichtig erklärt wurden«. Das bedeutet, dass aus der besetzten Westsahara stammende Erzeugnisse nicht mehr als marokkanische Waren in die EU ausgeführt werden dürfen.
Die marokkanische Webseite Yabiladi schrieb am Freitag, dass die Abgeschobenen »bekannt seien für ihre Unterstützung separatistischer Forderungen« – das heißt der Befreiungsfront Polisario, die bei UNO und EuGH als Repräsentantin der Westsahara gilt und für das Selbstbestimmungsrecht der Sahrauis kämpft. Auch habe es kein Mandat der EU und keine Autorisierung seitens der marokkanischen Behörden für den Besuch gegeben. Noch während die Abgeordneten in Laâyoune festgehalten wurden, kommentierte jedoch Ione Belarra – Generalsekretärin der linken spanischen Partei Podemos, der auch Serra angehört – auf X, dass »die spanischen, europäischen und marokkanischen Behörden« eine »Verpflichtung« hätten, EU-Vertreter bei entsprechenden Recherchen zu unterstützen. Auf einer nach Ankunft der Abgeschobenen auf den Kanarischen Inseln abgehaltenen Pressekonferenz verlangte Serra denn auch vom sozialdemokratischen Außenminister José Manuel Albares, dafür zu sorgen, dass Marokko die Abriegelung der besetzten Gebiete für Beobachter aufgibt.
Seit Jahresbeginn wurden bereits neun Spanier unmittelbar nach Ankunft in der Westsahara wieder zurückgeschickt. Die meisten hatten versucht, eine erst im Januar eingerichtete Ryanair-Flugverbindung von Madrid nach Dakhla zu nutzen, um sich vor Ort über die Menschenrechtslage zu informieren, darunter Journalisten des Independiente und von Público. Ein Gast wurde allerdings gefeiert: Anfang der Woche war Frankreichs Kulturministerin Rachida Dati in die besetzte Westsahara gereist. Es war der erste Besuch einer französischen Regierungsdelegation in dem Gebiet. Im Sommer hatte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron dem marokkanischen König Mohammed VI. zu dessen 25. Thronjubiläum mitgeteilt, dass er die Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko anerkenne. Zuvor hatten schon US-Präsident Donald Trump in seiner ersten Amtszeit sowie Spaniens Premier Pedro Sánchez entsprechende Erklärungen abgegeben. Allerdings rief Dati Befremden hervor, als sie sich in der Öffentlichkeit in einem traditionellen Gewand zeigte, das nur notdürftig um ihren Anzug geschlungen war.
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