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Aus: Ausgabe vom 24.02.2025, Seite 2 / Inland
Antimilitarismus

»Wir wollen kein kriegstüchtiges Land«

In Zwickau hat sich der Stadtrat gegen Bundeswehr-Werbung ausgesprochen. Ein Gespräch mit Bernd Rudolph
Interview: Carmela Negrete
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Umgestaltete Bundeswehr-Werbung

Wie ist es Ihnen gelungen, den Beschluss gegen Bundeswehr-Werbung in Zwickau durchzusetzen? Welche Schritte und Argumente waren wichtig?

Die Grundlage ist sicher ein tief verwurzelter Wunsch nach Frieden in der Stadtgesellschaft. Auch wenn er unter dem Eindruck der allgemeinen Militarisierung unter Druck gerät, ist er offenbar noch stark genug, um solche Beschlüsse zu ermöglichen. Unterschiedliche politische Strömungen neben uns, von CDU, Freien Wählern bis hin zur AfD fühlten sich da angesprochen. Strategisch wichtig war, die Werbung für Kriegsdienst in den Kontext dieser Militarisierung und die daraus resultierende Kriegsgefahr zu setzen. Wir wollen kein kriegstüchtiges Land, sondern ein friedenstüchtiges. Unsere Stadt ist Mitglied des Bündnisses »Mayors for Peace«. In diesem Sinne muss sie sich betätigen und den Wunsch nach Frieden stärker repräsentieren. Da passt Werbung für Kriegsdienst nicht dazu.

Welche Gegenargumente oder Widerstände gab es im Entscheidungsprozess, und wie sind Sie damit umgegangen?

Die Argumente sind ja bekannt. Um es etwas überspitzt auszudrücken: Wenn wir nicht aufrüsten, steht morgen der Russe vor Berlin. Die Bundeswehr sei ja eine Parlamentsarmee und nur dem Frieden verpflichtet, wurde uns entgegengehalten. Außerdem stünde sie jederzeit bereit, um bei Katastrophen auszuhelfen. Wir haben deutlich gemacht, dass wir nicht contra Bundeswehr sind. Selbstverständlich wird in Zeiten wie diesen eine Armee zur Landesverteidigung gebraucht. Es geht auch nicht darum, Soldaten herabzuwürdigen. Sie verdienen unseren Respekt. Allerdings muss man auch ehrlich bleiben. Die Bundeswehr verteidigt unsere Grenzen nicht vor China oder im Roten Meer, auch nicht im Kosovo, in Mali oder in Afghanistan. Und sie ist definitiv keine Zivilschutzorganisation.

Welche Rolle spielte die Öffentlichkeit in der Stadt bei diesem Vorstoß?

Dass in Zwickau eine Straßenbahn in Tarnfarben fährt, hat viele Menschen irritiert und verstört. Allerdings haben diese Menschen in den zivilgesellschaftlichen Initiativen keine Basis mehr. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs sind die unserer Meinung nach mehr oder weniger auf den »Zeitenwende«-Kurs der Bundesregierung umgeschwenkt. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass die im Stadtrat in einer Fraktion vereinten Vertreter von Die Linke, SPD, Grünen und FDP unserem Antrag nicht zustimmten und statt dessen zu den stärksten Kritikern zählen. Die Hinwendung breiter Bevölkerungsschichten zur AfD als vermeintliche Friedenspartei kann so nicht verwundern.

Was würden Sie anderen Städten oder Gemeinden empfehlen, die ähnliche Beschlüsse gegen Bundeswehr-Werbung anstreben?

Sie müssen ein dickes Fell haben und dürfen sich nicht durch Hetze und Diffamierung abschrecken lassen. Der Frieden ist in unserem Land in die Defensive geraten. Da ist es um so wichtiger, konsequent und entschlossen für ihn einzutreten und sich mehr zu vernetzen. Weil ohne ihn die Menschheit keine Zukunft hat.

Würden Sie oder andere Vertreter der Friedensbewegung selbst Werbeflächen auf den Straßenbahnen buchen?

Über die Option, als Fraktion eine Dauerwerbung auf Straßenbahnen zu schalten, haben wir noch nicht nachgedacht. Meist machen Parteien ja nur vor Wahlen Werbung, und die Verkehrsbetriebe sind an langfristigen Verträgen interessiert. Und ob die Friedensbewegung, um die es ja in diesen Zeiten nicht gut bestellt ist, dafür Mittel hätte? Was wir für sehr nützlich halten, wäre Werbung für zivile Hilfsorganisationen, wie das DRK oder das THW. Auch hier werden dringend Menschen gesucht, die sich engagieren. Ich vermute, diesen Organisationen steht nicht ansatzweise ein Werbeetat zur Verfügung wie der Bundeswehr. Warum eigentlich? Diese Frage sollte man sich stellen. Gerade, wenn so getan wird, als wäre die Bundeswehr originär für den Katastrophenschutz zuständig. Sie ist es nicht. Es sind andere, denen für ihren Einsatz bei weitem weniger politische Aufmerksamkeit zuteil wird.

Macht es für die Verkehrsbetriebe einen Unterschied, wer Werbung schaltet?

Auf Anfrage wurde uns mitgeteilt, man mache bei allen Anzeigen, die nicht offensichtlich rechts- oder sittenwidrig seien, keinen Unterschied. Allerdings gab es vor dem Vertragsschluss mit der Bundeswehr dem Vernehmen nach eine Abstimmung mit der Stadtspitze. Ganz wohl war der Geschäftsführung offenbar nicht bei der Sache. Letztlich gab die Aussicht auf gute Einnahmen wohl den Ausschlag.

Bernd Rudolph ist Vorsitzender der BSW-Fraktion im Stadtrat Zwickau

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