Gegen Kriegstüchtigkeit, Raketenstationierung und Völkermord
Von Nick Brauns, MünchenEs waren mehrere Tausend Demonstrantinnen und Demonstranten, die sich am Sonnabend auf dem Stachus in München zum Protest gegen die sogenannte »Sicherheitskonferenz« (Siko) versammelt hatten.
Die Kundgebung begann mit einer Schweigeminute für die Verletzten des Anschlages auf eine Gewerkschaftsdemonstration vom Donnerstag in München. Da der Attentäter, der seinen Wagen in die Streikenden gefahren und dabei mindestens zwei Menschen getötet und Dutzende weitere zum Teil schwer verletzt hatte, aus Afghanistan stammte, hatten rechte Politiker von CSU bis AfD den Anschlag umgehend für den Ruf nach einer verschärften Migrationspolitik genutzt. Dem stellen sich nicht zuletzt die betroffenen Gewerkschafter entgegen. »Die Gewerkschaften wissen: Rassismus spaltet, Klassenkampf vereint«, machte Moderatorin Laura vor dem Kundgebungsteilnehmern klar.
Es handele sich bei dem Treffen im Luxushotel Bayerischer Hof »in Wahrheit um eine Kriegskonferenz des deutschen Imperialismus und der europäischen NATO-Staaten«, führte im Anschluss der Gewerkschafter und Kommunist Marc Ellmann in seiner Rede für das Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz aus, wogegen sich der Protest auf der Straße richtet. »Friedensfähig statt kriegstüchtig« lautete das Motto von Kundgebungen und Demonstration. Gefordert wurden unter anderem ein Waffenstillstand und Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine, der Stopp aller Waffenexporte, ein gerechter Frieden in Nahost, die Verhinderung neuer US-Raketenstationierungen in Deutschland sowie Geld für Bildung, Soziales und Umwelt statt für Hochrüstung.
Rihm Hamdan und Amir Ali von der Gruppe »Palästina spricht« zeigten auf, dass Zerstörungen und Vertreibungen in Palästina trotz Waffenruhe in Gaza weitergehen, denn Israels Ziel sei es, »palästinensisches Leben auszulöschen«. Die Palästinenser würden sich aber weder »unterwerfen noch still und höflich sterben«, wie es von Teilnehmern der Siko offenbar von ihnen erwartet werde, sondern weiter Widerstand leisten und »Palästina von diesen Terroristen befreien« - gemeint sind die israelischen Besatzer – um Gerechtigkeit und Gleichheit für alle zu schaffen.
Die in Gaza verübten Brutalitäten fielen auf die europäischen Staaten zurück, warnte der Ökonom und frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis. Indem die führenden europäischen Politiker den israelischen Siedlern grünes Licht für ihre Angriffe mit den aus Europa gelieferten Waffen auf Palästinenser gegeben hätten, sei damit zugleich die Ideologie der »Vorherrschaft« (Supremacy) in Ländern wie Deutschland gestärkt worden. Die Früchte dieser Verrohung drohte die Bundesrepublik am kommenden Wochenende bei den Bundestagswahlen zu ernten, so Varoufakis, der seine Rede mit »Nie wieder! Nirgendwo! No pasaran!« beendete.
Auf die fortgesetzten Angriffe der türkischen Armee auf das Selbstverwaltungsgebiet Rojava in Nordsyrien und die dort verübten schweren Menschenrechtsverletzungen wies Gönül Tolay von der kurdischen Frauenbewegung hin. Solidarität mit Palästina und Rojava wurde auch auf zahlreichen Bannern auf der Kundgebung gefordert. Dabei muss es nicht bei bloßen Appellen bleiben: »Die Genozide fangen hier an« erklärte José Nivoi vom Hafenarbeiterkollektiv im italienischen Genua unter Verweis auf Rüstungsexporte und Waffenentwicklungen in den europäischen Staaten. Und er berichtete, wie die Docker in Genua Waffenlieferungen an Saudi-Arabien, die Türkei und Israel blockiert hatten. Auf direkte Aktion setzt auch die Gruppe Palestine Action. Infolge ihrer Attacken - für die sie Haft riskieren - seien bereits drei von zehn Niederlassungen des israelischen Rüstungskonzerns Elbit Systems in Großbritannien dichtgemacht worden, berichtet der aus Israel stammende Aktivist Ronnie Barkan.
Unter Berufung auf ein kürzlich von Brigadegeneral a.D. Erich Vad dargestelltes Kriegsszenario warnte Lühr Henken vom Bundesausschuss Friedensratschlag vor der Gefahr eines nuklearen Krieges in Deutschland infolge der möglichen Lieferung des weitreichenden »Taurus«-Waffensystems an die Ukraine sowie der bereits beschlossenen Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland.
Rote und palästinensische Fahnen dominierten die Demonstration durch die Münchner Innenstadt, an deren Spitze Mitglieder des antifaschistischen Motorradclubs Kuhle Wampe auf ihren schweren Ural-Maschinen aus russischer Produktion fuhren. Das pazifistische Münchner Friedensbündnis und Pax Christi waren ebenso vertreten wie DKP und SDAJ, die Partei Die Linke, Kommunisten aus der Türkei und Griechenland sowie ein lautstarker und großer, aus verschiedenen antikapitalistischen und revolutionären Gruppen mit zumeist jungen Anhängern gebildeter Block. Kongolesen protestierten gegen die fortwährenden Angriffe aus Ruanda auf die Demokratische Volksrepublik Kongo. »Stoppt das Blutvergießen. Keine Digitalisierung ohne Kongo«, wiesen sie darauf hin, dass der Hintergrund des Krieges seltene, etwa für die Mobiltelefonproduktion benötigte Rohstoffe sind, die ihrem Land geraubt würden.
Laut wurde es, als der linke Demonstrationszug am Odeonsplatz eine Kundgebung von einigen hundert Ukrainern sowie ihren Unterstützern - darunter ein Block von Mitgliedern der liberalen Kleinpartei Volt - passierte. Nachdem dort die Menge »Taurus – Taurus« und den Faschistengruß »Slava Ukraini« skandiert hatte, erklärte der vor passenderweise vor der Feldherrenhalle sprechende ukrainische Botschafter Oelsii Makeiev unter dem Jubel der ukrainischen Demonstranten, Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz habe ihm im Bayerischen Hof die Lieferung des bis tief nach Russland reichenden Waffensystems »Taurus« zugesagt. Der Botschafter dankte »Deutschland für die Waffen, mit denen wir Krieg gegen die Russen und Russland auch in eurem Namen führen«.
Auch die aus dem Spektrum der Corona-Maßnahmen-Gegner entstandene Initiative »München steht auf« hatte zu einer Kundgebung gegen die »Sicherheitskonferenz« aufgerufen. Rund 1.000 Menschen – vor zwei Jahren waren es hier noch weit über 10.000 - versammelten sich auf dem Königsplatz. Dort erhobene Forderungen etwa des kürzlich aus dem BSW ausgetretenen EU-Abgeordneten Friedrich Pürner als Redner glichen in vielem denen der linken Friedensbewegung. Doch waren auch eine Reihe von Deutschlandfahnen – teilweise mit Friedenstaube, aber auch ergänzt um die AfD-Parole »Unser Land zuerst« zu sehen, sowie sinnfreie Plakate wie »Russische Frauen sind schön«. Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot dankte in ihrer Rede ausdrücklich US-Vizepräsident J.D. Vance dafür, am Vortag auf der Siko die Einschränkung der Meinungsfreiheit in Europa thematisiert zu haben.
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