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Aus: Ausgabe vom 15.02.2025, Seite 2 / Inland
Waffenlieferungen in Kriegsgebiete

»Man kann nur kooperieren oder sich widersetzen«

Anti-Siko-Demonstration in München. Redner prangern Geschäfte mit Rüstungsgütern und Genozid in Gaza an. Ein Gespräch mit Ronnie Barkan
Interview: Fabian Linder, München
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Am Rande der Münchner »Sicherheitskonferenz« protestieren Anhänger der Europäischen Union gegen den Kriegs- und Energiepolitikkurs der US-Regierung und jenen der AfD (14.2.2025)

Auf der Demonstration gegen die NATO-Sicherheitskonferenz in München werden Sie an diesem Sonnabend nachmittag zu den Teilnehmern sprechen. Warum ist Ihnen dieser Protest wichtig?

München ist stolz darauf, die größte ­Sicherheitskonferenz der Welt abzuhalten. Das erinnert mich an die dunklen Tage Münchens, als Politik, Wissenschaft und die Verteidigungsindustrie zusammenarbeiteten. Angesichts dessen halte ich die Tatsache, dass ausgerechnet München mit dieser Konferenz prahlt, für ernsthaft fragwürdig. Ist es das, was man aus der Vergangenheit lernen möchte? Oder sollte man eher auf die Menschen hören, die sich dagegen aufgelehnt haben, wie die »Weiße Rose«? Wenn man von meinen Großeltern, die Auschwitz und Dachau nur knapp überlebt haben – mein Großvater war eine Zeitlang nur ein unfreiwilliger Nachbar hier in Dachau –, etwas lernen kann, dann, dass man nicht noch einem weiteren Völkermord (in Gaza, jW) grünes Licht geben und sich dagegen zur Wehr setzen sollte.

Bei der Abschlusskundgebung am Marienplatz wollen Sie über Aktivismus gegen die Produktion und den Export von Rüstungsgütern sprechen. Als israelischer Dissident setzen Sie sich seit Jahren gegen beides ein. Wie kam es dazu?

Ich komme aus einem kriminellen Apartheidstaat, dessen Politik auf einer rassisch begründeten Überlegenheit beruht und darauf abzielt, dass Menschen mit meinem ethnischen Hintergrund gegenüber den anderen profitieren. Bei einem System der Herrschaft und Unterdrückung gibt es nur zwei Möglichkeiten: zu kooperieren oder sich diesem zu widersetzen. Also beschloss ich, mich dem zu widersetzen. Etwa, indem ich den Militärdienst im militarisierten Israel verweigerte, Palästinenser bei ihren Kämpfen unterstützte und an Solidaritätsaktionen etwa im Westjordanland teilnehme.

Wie engagieren Sie sich außerhalb Israels?

Im Ausland habe ich hauptsächlich Druck auf diesen Staat ausgeübt, um seine Verbrechen zu stoppen. In Großbritannien habe ich mich »Palestine Action« angeschlossen, die versuchen aktiv, die Herstellung von Waffen zu stoppen, die nach Israel und in den Rest der Welt geliefert werden. Vor ein paar Jahren bin ich zusammen mit anderen Aktivisten und einem weiteren israelischen Dissidenten losgezogen, um das Hauptquartier von Elbit in Bristol zu zerschlagen. Elbit produziert die Mordmaschinen, die in Gaza an den Palästinensern perfektioniert werden, und ist aktiv in den Völkermord eingebunden. Die britischen Behörden und leider auch die deutschen sind in hohem Maße mitschuldig an israelischen Verbrechen, die die schwersten gegen die Menschheit sind. Es ist dringend notwendig, sich all dem entgegenzustellen.

Kam es zu einem Verfahren gegen Sie?

Nach der Aktion gegen Elbit Systems war ich einen Monat in Untersuchungshaft. Nach meiner Entlassung wurde ich ein ganzes Jahr lang unter Hausarrest gestellt, ohne britischer Staatsbürger oder Einwohner zu sein. Als der Prozess vorbei war, verließ ich Großbritannien nach insgesamt zwei Jahren.

Ebenfalls für diesen Sonnabend war die Freilassung weiterer Geiseln durch die Hamas angekündigt. Welche Zukunft sehen Sie in diesem Konflikt?

Der rassistischste Diskurs, den ich in den vergangenen anderthalb Jahren verfolgte, bezieht sich auf die 200 Geiseln. Es gibt 2,3 Millionen Geiseln in Gaza. Und zusätzlich Zehntausende in israelischen Gefängnissen, die als Verhandlungsmasse gehalten und auf die schrecklichste Art und Weise behandelt werden. Wenn wir diesen Diskurs akzeptieren, bedeutet das im Grunde, dass alle anderen der 2,3 Millionen Menschen in Gaza von den Medien buchstäblich als nicht einmal erwähnenswert angesehen werden und nicht als Geiseln von sieben Jahrzehnten israelischer Unterdrückung betrachtet werden.

Wir fordern den Schutz der Menschen dort und die Einhaltung der grundlegenden Menschenrechte. Ein Waffenstillstand ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber es ist noch ein sehr langer Weg, um die Menschen zu schützen, die derzeit mit der uneingeschränkten aktiven Unterstützung des deutschen Staates auf die unmenschlichste Art und Weise behandelt werden.

Ronnie Barkan ist israelischer Aktivist und engagiert sich in der Palästina-Solidaritätsbewegung

kurzlinks.de/Antisiko2025-Ablauf

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