Einfach weg
Von Steve Hollasky
Der sächsischen Polizei fehlen sage und schreibe 188.691 Schuss Munition. Eine Menge, mit der man im Zweifelsfall schon mal einen kleinen Krieg austragen könnte. Bereits im September vergangenen Jahres war die Diskrepanz bei einer internen Inventur der Polizeihochschule Rothenburg aufgefallen, wie eine kleine Anfrage des innenpolitischen Sprechers der Linksfraktion im sächsischen Landtag, Rico Gebhardt, nun ergeben hat. Wie sich Gebhardt am Freitag in einer Presseerklärung ausdrückte, sei dies »mehr als eine Panne«, eher »eine Katastrophe«.
Bereits 2021 hatte das illegale Schießtraining von 13 Mitgliedern eines mobilen Einsatzkommandos auf der Anlage »Baltic Shooters« in Mecklenburg-Vorpommern für einige Aufregung gesorgt. Damals wechselten als Bezahlung für die Ballerei mehrere tausend Schuss Munition aus Polizeibeständen den Besitzer. Frank Thiel, Betreiber der Anlage, erlaubte den Beamten, darunter dem Chef der Einheit, aus allen Rohren auf seiner Anlage zu feuern. Thiel selbst war für seine Mitgliedschaft in der faschistischen Gruppe »Nordkreuz« bekannt.
Der Munitionsskandal hatte seinerzeit weite Kreise gezogen und kehrt nun offenbar in vergrößertem Umfang zurück. Denn die im nachhinein vorgenommene Prüfung ergab jetzt, dass sich fast 200.000 Schuss Munition, eine größere Anzahl von Waffen und einige Schlagstöcke in Luft aufgelöst haben.
Bekannt wurde der Skandal im Dezember, als das Magazin Focus darüber berichtete. Dort hatte man errechnen lassen, dass die fehlenden Patronen im Einkauf gut 41.000 Euro kosten und mehr als zwei Tonnen wiegen würden. Bei der Polizei geht man von Fehlern beim Verbuchen der Munition aus. Bis zum 31. März soll eine »Tiefenprüfung« laufen, um den Verbleib zu klären.
Wenig Verständnis erntet das Vorgehen der sächsischen Polizeiführung unterdessen bei Rico Gebhardt. Seiner Meinung nach werden die sich häufenden Skandale bei der sächsischen Polizei »nicht richtig ernst genommen«, erklärte der Linke-Politiker in einem Gespräch mit der jungen Welt am Freitag. Es könne nicht sein, dass die Polizei bis zum 31. März brauche – und damit noch einmal weitere sechs Wochen –, um zu klären, wo Waffen und Patronen abgeblieben sein könnten. Die zahlreichen Skandale bei der Polizei im Freistaat, zuletzt das mehr als fragwürdige Vorgehen des Hundeführers während der Proteste gegen den AfD-Parteitag in Riesa, seien auch Ausdruck einer nicht vorhandenen Fehlerkultur, so Gebhardt weiter.
Die Bilanz der sächsischen Polizei ist alles andere als schmeichelhaft: In Leipzig verhökerten Beamte gestohlene Fahrräder, 2017 präsentierte die Polizei im Freistaat den Panzerwagen »Survivor R«, dessen Sitze mit Zeichen versehen waren, die eigenartige Ähnlichkeit zu Nazisymbolen aufwiesen. Unvergessen ist auch der sogenannte Hutbürger, der am Rande einer rassistischen Demonstration vor gut fünf Jahren ein Kamerateam bedrängte und zugleich Mitarbeiter des Landeskriminalamtes war.
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