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Aus: Ausgabe vom 15.02.2025, Seite 4 / Inland
Nach Angriff auf Demo in München

Ganz am Anfang

Bayern: Behörden gehen nach Anschlag auf Verdi-Kundgebung in München von islamistisch motivierter Tat aus. Festgenommener soll nicht in Psychiatrie
Von Kristian Stemmler
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Gewerkschafter legen bei einem stillen Gedenken für die Opfer des Angriffs weiße Rosen nieder (München, 14.2.2025)

Am Tag nach dem Angriff mit einem Kleinwagen auf eine Streikkundgebung von Verdi in München gingen Polizei und Generalstaatsanwaltschaft von einem islamistisch motivierten Anschlag aus. Auf einer Pressekonferenz in der bayerischen Landeshauptstadt hat die leitende Oberstaatsanwältin Gabriele Tilmann von der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) am Freitag erklärt, der 24jährige Afghane Farhad N. habe in Vernehmungen angegeben, absichtlich in die Menschenmenge hineingefahren zu sein. Er habe nach der Tat »Allahu Akbar« (»Gott ist groß«) gerufen. Die Ermittlungen stünden ganz am Anfang, betonte Tilmann. Es gebe aber vorerst keine Anhaltspunkte für eine »Eingliederung in eine islamistische Organisation«.

Farhad N. war am Donnerstag vormittag mit mehr als 50 Kilometern pro Stunde in das Ende des Kundgebungszugs gefahren. Dabei wurden laut Angaben der Polizeivertreter bei der Pressekonferenz mindestens 36 Menschen verletzt, zehn von ihnen schwer. Ein zweijähriges Mädchen befand sich am Freitag vormittag in kritischem Zustand auf der Intensivstation einer Klinik. Nachdem das Fahrzeug angehalten hatte, hieß es weiter, sei es Polizisten gelungen, den Fahrer zu überwältigen, obwohl dieser noch versucht habe, erneut zu beschleunigen. Der Mann sollte am Freitag dem Haftrichter vorgeführt werden.

Als falsch erwies sich inzwischen die kurz nach der Tat verbreitete Information, dass Farhad N. ausreisepflichtig gewesen sei und Straftaten begangen habe. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte auf dieser Grundlage bei seinem Besuch am Tatort vor Medienvertretern gegen die Migrationspolitik der Bundesregierung polemisiert. Am Donnerstag abend räumte Söder im ZDF ein, der Tatverdächtige sei nicht ausreisepflichtig und »wohl bislang eher unauffällig« gewesen.

Farhad N. war offenbar 2016 als unbegleiteter männlicher Flüchtling über Italien nach Deutschland gekommen. Im Februar 2017 stellte er einen Asylantrag, der abgelehnt wurde. Dagegen ging er juristisch vor, blieb aber erfolglos. Wie aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts München vom Oktober 2020 hervorgeht, aus dem dpa am Freitag zitierte, wollten die Richter damals N. nicht glauben, dass dieser auf Flucht ist, weil er von Mitgliedern einer kriminellen Organisation verfolgt werde, welche bereits seinen Vater getötet haben soll. Der Mann legte dem Urteil zufolge ärztliche Atteste vor, die ihm unter anderem eine posttraumatische Belastungsstörung und Störung der Impulskontrolle bescheinigten. N. erhielt schließlich eine Duldung, später eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Er war als Ladendetektiv tätig.

Oberstaatsanwältin Tilmann erklärte am Freitag, es gebe bislang keine Anhaltspunkte für psychische Probleme des Mannes, die Auswirkungen auf die Tat gehabt haben könnten. Daher werde auch nicht beantragt, ihn in einer Psychiatrie unterzubringen. Vorbestraft sei der 24jährige nicht gewesen. Es habe ein einzelnes Verfahren wegen Arbeitsamtsbetrugs gegeben, das aber gegen eine Geldauflage eingestellt worden sei.

Die Tat habe nach bisherigem Stand nichts mit der am Freitag gestarteten »Sicherheitskonferenz« zu tun, betonte Vizepolizeipräsident Christian Huber. Der »Kräfteeinsatz« werde während der bis Sonntag stattfindenden Tagung aber dennoch erhöht. Außerdem seien die Veranstalter von in München geplanten Demonstrationen angesprochen worden, ob sie auf Aufzüge, die sich durch die Stadt bewegen, verzichten und statt dessen auf stationäre Kundgebungen umschwenken wollten.

Am Donnerstag abend hatten sich Menschen bei einer Kundgebung am Odeonsplatz versammelt, um ihre Solidarität mit den Opfern des Anschlags auf die Gewerkschaftsdemo zu bekunden. Die Polizei sprach von etwa 500 Teilnehmern, Verdi von 4.000 bis 5.000. Mehrere Redner kritisierten, dass die Tat im Wahlkampf instrumentalisiert werde, um eine Verschärfung der Migrationspolitik zu fordern. »Man darf solche tragischen Ereignisse nicht nutzen, um zu hetzen«, rief Harald Pürzel, der Münchner Vorsitzende von Verdi.

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