Millionen Patienten ohne Versorgung
Von Jörg Kronauer
Für den globalen Süden wiegen die Folgen der Auflösung von USAID und des Einfrierens von US-Hilfsgeldern in vielen Fällen schwer. Da wäre zunächst die Streichung der US-Mittel, die bislang in den Kampf gegen HIV bzw. AIDS flossen. Das Programm PEPFAR etwa, mit vollem Namen United States President’s Emergency Plan For AIDS Relief, das 2003 von US-Präsident George W. Bush gestartet wurde, gilt als sehr erfolgreich; es hat dazu beigetragen, die Todesfälle durch AIDS seit 2004 weltweit um 69 Prozent zu senken. Es versorgt Berichten zufolge rund 20 Millionen Menschen mit antiretroviralen Medikamenten; aus ihm werden viele Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden unter anderem in afrikanischen Staaten finanziert. Allein in Südafrika erhielten zuletzt rund 15.000 auf HIV/AIDS spezialisierte medizinische Fachkräfte PEPFAR-Gelder. Damit ist nun zumindest vorläufig, womöglich sogar endgültig Schluss; Millionen Patienten stehen auf einen Schlag ohne Versorgung da. Die Folgen sind fatal.
Und nicht nur im Kampf gegen HIV/AIDS. In Ghana etwa fehlen wegen der Streichungen jetzt plötzlich mehr als 150 Millionen US-Dollar pro Jahr. Die eine Hälfte davon floss in das Gesundheitswesen; die andere wurde für den Kampf gegen den Hunger genutzt, der vor allem den schwach entwickelten, besonders stark unter dem Klimawandel leidenden Norden des Landes plagt. Dort wurden bislang Kleinbauern dank USAID mit Saatgut und Düngemitteln versorgt. Nun sehen sie einer äußerst ungewissen Zukunft entgegen. Man sollte meinen, Hilfe für sie liege durchaus im Interesse der westlichen Bourgeoisie: Wird der Hunger schlimmer, werden mehr Menschen in westliche Länder fliehen. Nun, Trump macht dann halt die Grenze dicht. Ghana gilt zudem als verlässlicher US-Verbündeter in Westafrika, einer Region, in der dem Westen zunehmend die Felle davonschwimmen.
Wohl noch enger kooperiert gegenwärtig Kenia mit den USA. Die Biden-Administration ließ sich die Zusammenarbeit etwas kosten; im Jahr 2023 zahlte USAID stolze 850 Millionen US-Dollar für Projekte in dem ostafrikanischen Land. Trump hat mit seinen Kürzungen nun Zehntausenden Kenianern, die direkt oder indirekt von US-Hilfsgeldern abhängig sind, den Lebensunterhalt entzogen. Allein im Gesundheitssektor, darunter in der AIDS-Bekämpfung, wurden zunächst 41.500 medizinische Fach- und Pflegekräfte auf die Straße gesetzt; nach der Wiederzulassung humanitärer Hilfe durch US-Außenminister Marco Rubio kehrten immerhin 4.500 von ihnen wieder in Lohn und Brot zurück. 37.000 stehen weiterhin vor dem Nichts. Selbst ein US-Loyalist wie Kenias Präsident William Ruto wird unter solchen Bedingungen darüber nachdenken müssen, ob er sich die Vasallentreue zu den USA noch leisten kann. Washingtons Rückzug wird die äußeren Kräfteverhältnisse auf dem afrikanischen Kontinent wohl noch weiter verschieben – und das nicht zugunsten des Westens.
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