Gegründet 1947 Dienstag, 4. März 2025, Nr. 53
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 27.02.2025, Seite 4 / Inland
Fragenkatalog der Union

Empörende Anfrage

Union sendet Fragenkatalog zu Finanzierung gemeinnütziger Organisationen an Regierung. Betroffene NGOs und linksliberale Parteien mit Kritik
Von Karim Natour
4.jpg
Was fällt ihm ein? Friedrich Merz verlangt von der Regierung Informationen zu NGOs (15.2.2025)

Anfang Dezember enthüllten Journalisten, dass ein Großteil des Budgets des internationalen Journalistennetzwerks »Organized Crime and Corruption Reporting Project« (OCCRP) von der US-Regierung stammt und sogar an Bedingungen geknüpft ist. Mitarbeiter des US-Außenministeriums bestätigten die Informationen. Daraufhin entbrannte in der globalen Community des Investigativjournalismus ein heftiger Streit. Einige begrüßten die Recherche, da sie für Transparenz sorge. Ein Großteil aber kritisierte den Bericht heftig – nicht weil er fehlerhaft wäre, sondern ein »falsches Signal« sende und die Erkenntnisse von »illiberalen Kräften« politisch missbraucht werden könnten.

Nicht unähnlich verhält es sich mit dem Echo auf eine parlamentarische Anfrage vom Montag, die die CDU/CSU-Fraktion an die Bundesregierung gestellt hat. Diese hat den Eingang am Mittwoch bestätigt. Eine Sprecherin des Finanzministeriums versicherte, sie werde mit Hochdruck bearbeitet. Insgesamt 551 Fragen hat die Union unter dem Titel »Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen« zur Finanzierung von Dutzenden gemeinnützigen Gruppen aufgelistet. Mehrere von ihnen hatten im Vorfeld der Bundestagswahlen zu den regierungsnahen Demonstrationen gegen die gemeinsame Abstimmung von Union und AfD im Bundestag aufgerufen. Zu den aufgeführten Organisationen zählen die Rechercheplattform Correctiv, das Netzwerk Campact, die Amadeu-Antonio-Stiftung, aber auch Umweltorganisationen wie Greenpeace und Peta.

Gefragt wird zum Beispiel, »Wie groß ist der Anteil der finanziellen Mittel des Vereins Omas gegen Rechts Deutschland, der aus staatlichen Förderprogrammen stammt?«, und »Gibt es direkte Verbindungen zwischen dem Verein Omas gegen Rechts Deutschland e. V. und bestimmten Parteien oder politischen Akteuren?« Nach Auffassung der Union stellen die Proteste eine parteipolitische Einflussnahme dar, die nicht mehr vom Gemeinnützigkeitsrecht gedeckt ist. Die Allianz »Rechtssicherheit für politische Willensbildung« machte in einer Mitteilung vom Dienstag auf ein Problem im Gemeinnützigkeitsrecht aufmerksam, das sie als nebulös kritisiert. Die mehr als 200 Vereine und Stiftungen fordern, das Gemeinnützigkeitsrecht zu modernisieren und »die selbstlose politische Einmischung etwa für Grundrechte und gemeinnützige Zwecke abzusichern«.

Die Reaktionen auf den Vorgang sind heftig. Kritik kommt von betroffenen NGOs sowie linksliberalen Parteien. Die Linke im Bundestag kritisierte den Vorgang als »Frontalangriff« auf »die Demokratie«. »Mit einer parlamentarischen Anfrage rächt sich die Union für die antifaschistischen Proteste« und startet »einen beispiellosen Angriff auf die demokratische Zivilgesellschaft«, so die Abgeordnete Clara Bünger am Dienstag in einer Mitteilung. Das erinnere »an autoritäre Staaten«. Auch der Grünen-EU-Politiker Sergey Lagodinsky beschwerte sich. Die Anfrage sei »ein Angriff auf die freie Zivilgesellschaft«, schrieb er bei X. Irene Mihalic, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Bundestag, erklärte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Mittwoch, der Vorstoß offenbare »die autoritären Züge der Union«. Der neue SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil nannte den Vorstoß nach einer Fraktionssitzung ein »Foulspiel«. Das globalisierungskritische Netzwerk ATTAC, das bereits seit Jahren gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit kämpft, erklärte: »Der zu befürchtende Großangriff auf die emanzipatorische Zivilgesellschaft unter einer Regierung Merz hat begonnen.«

Es muss befürchtet werden, dass die Union auf eine Demontage von unliebsamen Organisationen aus dem rot-rot-grünen Wählermilieu zielt. Ein heuchlerisches Element ist bei der Kritik allerdings nicht von der Hand zu weisen: Schließlich wird nicht der Vorgang an sich kritisiert, sondern das »Signal«, das gesendet wird. Absurderweise wird gerade eine parlamentarische Anfrage – ein Instrument zur Kontrolle der Regierung –, das am Ende gar für Transparenz im Sinne der bürgerlichen Demokratie sorgen könnte, als »antidemokratisch« und »autoritär« abgetan.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

  • Leserbrief von Bodo Behrendt aus Berlin (28. Februar 2025 um 23:03 Uhr)
    NGOs – da war doch was: »In seinem Buch ›Russland im Zangengriff‹ schrieb Peter Scholl Latour im Jahre 2006 über die sogen. NGOs und Soros u. a.: ›Bei den Krawallen gegen Milosevic in Belgrad (…) wurde die Generalprobe einer Aufstandsbewegung durchexerziert, die sich im wesentlichen auf eine Vielzahl von Non-Governmental Organizations‹ – NGO’s –, von ›Nichtregierungs-Organisationen‹ stützte, um Demonstrationen und öffentliche Proteste zu entfesseln. Natürlich sind mit den verdächtigten NGO’s nicht die karitativen Verbände, weder ›Misereor‹ noch ›Brot für die Welt‹ gemeint, und auch nicht ›Amnesty International‹, sondern jener professionelle Wanderzirkus von jungen Agitatoren aus diversen Ländern, die durch internationale Stiftungen gesteuert und finanziert werden. Was Belarus betrifft, so finden die Manöver dieser sehr speziellen NGO’s und deren Generalproben in Sonderausbildungslagern Polens und Litauens statt. Die CIA führt dabei häufig die Regie. Schon im März 1997 verwies Lukaschenko die ›Soros-Stiftung‹ des Landes, die sich den Regimewechsel ganz offen zum Ziel gesetzt hatte. Wer die schillernde Persönlichkeit des milliardenschweren Finanzspekulanten und politischen Hasardeurs George Soros unter die Lupe nimmt – der gebürtige Ungar hatte 1992 sogar das britische Pfund durch seine Manipulationen ins Wanken gebracht und mit gezieltem Angriff auf die thailändische Währung zur Auslösung der ostasiatischen Wirtschaftskrise 1997/98 beigetragen –, vermag sogar einiges Verständnis für diese Verbotsmaßnahme aufbringen.« etc. etc. in: Russland im Zangengriff – Putins Imperium zwischen NATO, China und Islam, 2029, von Peter Scholl-Latour. Honi soit qui mal y pense. Mit amüsiertem Grusse B. Behrendt
  • Leserbrief von Peter Tiedke aus Golzow (28. Februar 2025 um 11:50 Uhr)
    Die Empörung ist groß! Die CDU will wissen, wer die NGOs (der anderen) bezahlt. Warum die Aufregung?! Das will ich auch wissen! Ich will wissen, warum z. B. in den Vorwahlzeiten Demos »gegen Rechts« wie Pilze aus dem Boden schossen, der israelische Massenmord in Palästina aber nicht einmal erwähnt werden durfte. Warum dort (und auch in vielen »Leit«- Medien) die Mitglieder (und Wähler!) der AfD ohne Folgen zur Unperson, zum „Nazischwein“ erklärt – gern auch mit »platt machen« bedroht – werden konnten, die Verantwortlichen für die katastrophale Lage durch die Politik der Ampel-Regierung auf allen Feldern nicht nur nicht kritisiert, sondern zum geradezu zu Garanten für Frieden und Sicherheit in Europa erklärt und unterstützt wurden. Wer von wem dafür bezahlt wurde, das BSW zur »rechtsoffenen« Bewegung niederzuschreien. Es ist wichtig zu wissen, wer das bezahlt hat! Diese »Spenden« müssen ja nicht beendet werden, aber offengelegt – auch die der anderen Akteure wie CDU/CSU etc. selbstverständlich! »Wes Brot ich ess, des Lied ich sing«, ist eine alte Erkenntnis – so aktuell wie nie! In Zeiten, wo eine verschwindende Minderheit über unvorstellbar große Mittel verfügt, ist es auch für eine bürgerliche Demokratie tödlich, wenn für den angeblichen Souverän nicht mehr klar ist, wer unter welcher Flagge segelt!
  • Leserbrief von Ralf Cüppers aus Flensburg (28. Februar 2025 um 02:13 Uhr)
    Wes Brot ich Esse … Ich empöre mich nicht über die Frage. Sie ist berechtigt. Ich bin sehr neugierig auf die Antwort. Mich interessiert, weshalb ich Susann Witt-Stahls fundierte Hintergrundartikel über ukrainische Faschisten dankenswerterweise in der jungen Welt lesen darf, nicht jedoch in Zeitungen der »Antifa«-Initiativen und Organisationen. Nachdem »Omas gegen Rechts« jahrelang an Ostermärschen teilgenommen hatten, führten sie sich in Flensburg als »Flintenweiber« auf, die in ihrer Kriegshetze gegen Russland sogar noch Frau Baerbock in den Schatten stellten. Bei einer Antifademo in Flensburg haben wir gegen die Hetze der AfD Stellung bezogen und das Zustrombegrenzungsgesetz der CDU kritisiert. Als jedoch eine Flüchtlingsunterstützerin das Rückführungsverbesserungsgesetz der Ampel-Koalitionsparteien als ebenso rassistisch kritisierte, hatte der »Antifa«-Veranstalter ihr den Strom für das Mikrofon abgestellt. Warum erregen sich Umweltschützer über die klimaschädliche und krebserregende »Ewigkeitschemikalie« Perfluoroktansulfonsäure (PFOS) in Kleinstmengen in Haushaltsgegenständen und verschweigen konsequent, dass diese dem militärischen Treibstoff J8 zugesetzt ist und von der Bundeswehr tonnenweise in Atmosphäre und Atemluft geblasen wird, etwa 25 kg pro Flug jedes Kriegsflugzeuges? Der Boden um den Kriegsflughafen Jagel ist verseucht. Warum verschweigen die »Fridays for Future« den Klimakiller Militär? Das scheint ein Tabuthema, kam bisher in Flensburg nicht auf die Rednerliste der Demo, statt dessen redeten Parteikandidaten von Grünen und Linken. Wir sind mit militärkritischen Transparenten und Flugblättern bei Klimastreiktagen dabei. Zu antimilitaristischen Mahnwachen gegen den Kriegsflughafen Jagel kamen die Eckernförder »Fridays« ein einziges Mal, zu anderen Antikriegsaktionen kamen keiner aus den Klimainitiativen. Könnte es sein, dass sie sich deshalb nicht gegen rotgrüne Kriegspolitik stellten, weil sie Geld annehmen?
  • Leserbrief von Raimon Brete aus Chemnitz (27. Februar 2025 um 10:19 Uhr)
    Die Christlich-Soziale-Union hat, kaum ist die Wahl vorbei, die politische Maske fallen gelassen. Was mit der Wutrede von Merz in München (sic!) von den Qualitätsmedien noch als sogenanntes Wahlkampfgetöse abgetan wurde, offenbarte das antidemokratische und verinnerlichte Grundverständnis eines möglichen neuen Bundeskanzlers. Damit wird die Konfrontation gegen alle, die sich aktiv sowie konsequent für ein demokratisches und antifaschistisches Deutschland einsetzen, gesucht. Merz und seine CDU nimmt nun Rache für die landesweiten Proteste gegen deren Schulterschluss mit der AfD im Deutschen Bundestag. Noch vor einer neuen Kanzlerschaft wird mit den unsäglichen über 500 Fragen unmissverständlich, wohin die Reise einer kommenden Regierung gehen soll. Unfassbar, dass ausgerechnet »Omas gegen rechts« mit einem Verdikt belegt werden sollen und ihre unverzichtbaren Proteste gegen Faschismus und Krieg diskreditiert werden. Der SPD ist dringend für die kommenden Verhandlungen über einen Koalitionsvertrag zu empfehlen, sich gut zu überlegen, ob sie ihren demokratischen und antifaschistischen Grundkonsens zugunsten der Macht aufgeben will.

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers: