Warnung an Separatisten
Von Walter Mandić
Der Balkanstaat Bosnien und Herzegowina steht erneut vor einer schweren Zerreißprobe. Denn am Mittwoch hat das Bundesgericht in Sarajevo im Prozess gegen den Präsidenten der Teilrepublik Srpska, Milorad Dodik, ein für diesen provozierendes Urteil gefällt. Wegen seiner sezessionistischen Politik und wegen Missachtung des Hohen Repräsentanten für das innerlich gespaltene Land, den deutschen CSU-Politiker und früheren Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, wird Dodik zu einem Jahr Haft verurteilt und darf zusätzlich sechs Jahre lang nicht mehr in der Politik tätig sein. Allerdings ist das erstinstanzliche Verdikt noch nicht rechtswirksam.
Der Prozess hatte einen langen Anlauf. Anlass war, dass Dodik im Mai 2023 ein Dokument unterzeichnet hatte, mit dem er verfügte, dass die politischen Befugnisse Schmidts nicht mehr anerkannt würden. Zuvor hatte dieser angewiesen, dass Urteile des gesamtstaatlichen Verfassungsgerichts auch in der Republika Srpska angewendet werden müssen. Dodik stellte seinen Widerstand dagegen als fortschrittlich dar und bezeichnete die Rolle Schmidts als »kolonial« – eine Kritik, die kurioserweise auch der kroatische Präsident Zoran Milanović teilt, während insbesondere Russland bereits vergeblich im Weltsicherheitsrat versucht hat, das Amt des Hohen Repräsentanten abzuschaffen. Der Angriff des Staatsoberhaupts der Republika Srpska auf den instabilen bosnischen Staat, der durch das Dayton-Abkommen mühsam zusammengehalten wird, wog in jedem Fall schwer.
Dodik könnte nach dem Urteil vom Mittwoch jedoch die aktuelle geopolitische Situation in die Hände spielen. Dass er einen Tag vor dem Urteil zu einer Großdemonstration in Banja Luka, der Hauptstadt der bosnischen Teilrepublik, aufrief, war keine Überraschung. Überraschend war allerdings, dass bei dem Protest auch der US-amerikanische Anwalt Rudolph Giuliani anwesend war. Giuliani war um die Jahrtausendwende Bürgermeister von New York und ist aktuell rechtspolitischer Berater des amtierenden US-Präsidenten Donald Trump. Auf der Kundgebung sprach Giuliani sehr wohlwollend von Dodik und sagte, dieser sei ein großer Bewunderer der USA und vertrete die westlichen Werte. Die Ironie dabei ist, dass Dodik selbst ständig der bosnischen Zentralregierung in Sarajevo vorwirft, Politik im Interesse der USA zu betreiben. Aber wie immer zeigt sich der Nationalismus auf dem Balkan als flexibel. Schließlich ist Dodik ein großer Bewunderer Trumps.
Für den Fall seiner Verurteilung hatte Dodik vorausgesagt, dass dies »Bosnien und Herzegowina den Todesstoß versetzen« würde. Ob sich die globalpolitische Konstellation allerdings tatsächlich zugunsten von Dodik auswirkt, ist noch unklar. Denn zeitgleich zur Urteilsverkündung traf sich der Hohe Repräsentant Schmidt mit US-Vertretern, die sich im Rahmen der NATO im Land aufhalten, wie seine Behörde auf X mitteilte. Der Wettlauf darum, wer in Bosnien und Herzegowina das letzte Wort hat, ist also noch längst nicht beendet.
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