Opera buffa in Frankfurt
Von Klaus Fischer
Vom Staat verlassen, die Kunden auf Abwegen, angeblich zu viele Mitarbeiter und ein ausgewiesenes Raubtier am Hals – die Commerzbank hat schon bessere Zeiten erlebt. Aber diese liegen Jahrzehnte zurück. Gegenwärtig stemmen sich Management und Belegschaft gegen die Dauerbelagerung des Mailänder Finanzriesen Unicredit. Dessen Vorstandschef Andrea Orcel, ein früherer Strippenzieher der in der globalen Finanzkrise 2007–2009 untergegangenen US-Investmentbank Merrill Lynch, hat anscheinend ausreichend Geld, um die Nummer zwei der BRD-Bankenlandschaft aufzukaufen.
Diese Woche war Orcel erneut in Aktion: Unicredit meldete beim Bundeskartellamt die Übernahme eines Commerzbank-Anteils von bis zu 29,99 Prozent zur Prüfung an. Und da von der Bankenaufsicht (EZB) kaum Widerstand gegen die Übernahmepläne zu erwarten ist, blinkten die Alarmlichter bei der Commerzbank wieder heftiger. Deren Chefin Bettina Orlopp will die Eigenständigkeit des im Dax gelisteten Hauses sichern. Und sie hat im Betriebsrat des Unternehmens tapfere und zu allem entschlossene Mitstreiter. Dies bekräftigte ein dpa-Bericht vom Freitag, in dem der Vorsitzende des Gremiums (und stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrates) Sascha Uebel ausführlich zu Wort kam.
Uebel setzt auf eine Art Partisanentaktik und will Unicredit so »viele Probleme bereiten wie möglich«. »Wir machen den Weg, den Orcel im Kampf mit uns gehen muss, maximal matschig und tief.« Der Unicredit-CEO unterschätze das starke Mitbestimmungsrecht in Deutschland, so Uebel – und kündigte für den Fall einer Übernahme an: »Er wird sich bei den Verhandlungen mit uns die Zähne ausbeißen.« Starke Worte. Dass diese Taktik (aus Versehen?) den Italienern die Arbeit erleichtern könnte, scheint Uebel nicht zu merken. Denn der Betriebsrat will nicht warten, bis Orcel zuschlägt und Stellen vernichtet.
Das will man anscheinend lieber selber tun. Der geschlossene Transformationsvertrag bei der Commerzbank sei bis 30. Juni 2028 gültig, »daran ist für Andrea Orcel nichts zu rütteln. Er kann im Falle einer Übernahme nicht 2027 kommen und den Abbau von 3.000 weiteren Jobs verkünden.« Auch seien »Vorruhestandsregelungen nicht auf maximal 300.000 Euro gedeckelt«. Und es sei verankert, dass »ein regional zumutbarer Arbeitsplatz angeboten werden muss«. Damit, so Uebel, seien »betriebsbedingte Kündigungen faktisch unmöglich«. Bis zum Jahresende sollten die Verhandlungen über den Stellenabbau, für den die Commerzbank 700 Millionen Euro zurückstellt, abgeschlossen sein. Ein Sozialplan und Interessenausgleich sollen schon bis zur Hauptversammlung am 15. Mai stehen. Dann erwartet der Betriebsrat einen »Showdown mit Orcel«.
Schlecht für die Commerzbank ist, dass der Staat seine schützende Hand nicht mehr über das Haus hält, das er während der Krise 2009 »gerettet« hatte. Damals hielten es die Bankenführer für einen guten Zeitpunkt, ausgerechnet am Vorabend der globalen Erschütterungen, die vom US-Bankenmarkt ausgegangen waren (Subprime-Krise), die angeschlagene Dresdner Bank zu übernehmen. Mehr als 16 Milliarden Euro Steuergeld (und eine 25-Prozent-Beteiligung) waren danach nötig, eine unkontrollierte Pleite des Traditionshauses zu vermeiden. Die Rückzahlungen erstreckten sich seit 2011 bis in die Gegenwart.
Im vergangenen Jahr beauftragte die »Ampel« zwei US-Großbanken, per Auktion einen Teil ihrer (beim Finanzmarktstabilisierungsfonds) gehaltenen Aktien (16,5 Prozent) zu verkaufen. Diese Gelegenheit nutzte Unicredit und erwarb 4,5 Prozent der vom Bund gehaltenen Commerzbankanteile und kaufte »am Markt« weitere zu. Anzumerken bleibt: Bei normalen Bankenübernahmen entscheiden weder Management, Aufsichtsgremien oder Betriebsrat – sondern die (Groß-)Aktionäre. Es dürfte deshalb eher eine Frage der Zeit sein, dass die Mailänder nach der Hypovereinsbank 2005 auch die Commerzbank schlucken.
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