Ankara ist am Zug
Von Nick Brauns
Der Gründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, hat am Donnerstag seine Organisation zur Niederlegung der Waffen und Selbstauflösung aufgerufen. Es ist nicht das erste Mal, dass Öcalan den bewaffneten Kampf für beendet erklärt hatte. Auch nach seiner Gefangennahme 1999 und zum Newrozfest 2013 erfolgten ähnliche Erklärungen. Da die türkische Regierung dies als Kapitulation deutete und zu keinen Zugeständnissen bereit war, flammte der Krieg jeweils wieder neu auf.
Diesmal geht die Erklärung Öcalans allerdings auf eine Initiative von Devlet Bahçeli zurück. Mit einer vom kurdischen Repräsentanten angestrebten Demokratisierung der Türkei hat der Vorsitzende der faschistischen Mitregierungspartei MHP dabei nichts am Hut. Vielmehr zielt der strategisch denkende Staatsmann auf die Schließung der inneren Reihen, um die Türkei sicher durch die Stürme des Nahen Ostens zu steuern. Öcalan spielte diesen Ball zurück, als er die Notwendigkeit einer erneuten Festigung des 1.000jährigen Bündnisses der Türken und Kurden betonte, »um ihre Existenz zu sichern und gegen Hegemonialmächte zu bestehen«.
Der geforderte Verzicht auf Guerillaaktionen geht von der Realität aus, dass die PKK innerhalb der Türkei militärisch kaum noch präsent ist, während mit der Dem-Partei ein ziviler Akteur mit breiter Verankerung unter der kurdischen Bevölkerung besteht. Politisch wie militärisch wirkmächtig sind die Anhänger Öcalans dagegen im Autonomiegebiet in Nordostsyrien. Der Kommandeur der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Mazlum Abdî, begrüßte zwar Öcalans Aufruf, betonte aber, dass sich dieser keinesfalls auf seine nicht mit der PKK verbundene Truppe beziehe und seine Dialogpartner in Damaskus seien. Dass die US-Regierung nach seiner Erklärung die Türkei drängte, eine Lösung für Nord- und Ostsyrien nicht mehr zu blockieren, dürfte Öcalans Intention gewesen sein.
Noch ist nicht bekannt, was mit der türkischen Regierung vereinbart wurde. Doch ohne eine Roadmap, wie sie während des Dialogprozesses im Jahr 2013 vereinbart, aber dann von Regierungschef Recep Tayyip Erdoğan aufgrund kurzsichtiger wahltaktischer Erwägungen verworfen worden war, dürfte Öcalan diesmal kaum einen so weitreichenden Aufruf gewagt haben. Darauf deutet ein mündlicher Zusatz zu seiner Erklärung hin: »Zweifellos erfordert das Niederlegen der Waffen und die Selbstauflösung der PKK in der Praxis die Anerkennung der demokratischen Politik und der rechtlichen Dimension.« Ohne konkrete Schritte und Sicherheitsgarantien wird die PKK niemals ihre Transformation in eine rein politische Bewegung beschließen. Dies betrifft insbesondere eine Generalamnestie, durch die Tausende erfahrene Militante einschließlich Öcalan und des charismatischen Politikers Selahattin Demirtaş aus den Gefängnissen frei- und die abgesetzten Dem-Bürgermeister in ihre Ämter zurückkämen. Jetzt ist erst einmal der Staat am Zug.
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