Milliarden für die Rüstung? Nicht mit uns!
Von Daniel Bratanovic
Das ganz große Rüstungspaket kommt, und zwar schnell. Es sind monströse Summen, die größte Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik, Kriegsmaterial im Umfang von Hunderten Milliarden, potentiell ohne Obergrenze.
Nachdem Union und SPD sich am Dienstag auf Milliardenkredite für Aufrüstung und Infrastruktur in bisher ungekanntem Ausmaß verständigt hatten, stieß das Vorhaben am Mittwoch bei Gewerkschaften und Kapitalverbänden auf weitgehende Zustimmung. Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie, sagte, das Finanzpaket sende »ein wichtiges Signal, um die gefährliche Abwärtsspirale aus ausbleibenden Investitionen und Wachstumsschwäche zu stoppen und verteidigungsfähig zu werden«. Zusätzliches Geld allein werde es allerdings nicht richten, nötig seien zudem »beherzte Strukturreformen«. Was das heißt, machte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger deutlich: Erhöhung des Renteneintrittsalters und Einschnitte bei Renten- und Gesundheitsleistungen, um die Sozialbeiträge dauerhaft auf 40 Prozent zu drücken. »Ohne eine Begrenzung der Sozialbeiträge wird es keinen nachhaltigen Aufschwung geben.«
Von den Gewerkschaften ist derweil kein Widerstand zu erwarten. »Insbesondere vor dem Hintergrund globaler Unsicherheiten müssen wir Europas Verteidigungsfähigkeit stärken und dürfen dabei gleichzeitig sozialen Fortschritt nicht ausbremsen«, verkündete DGB-Chefin Yasmin Fahimi. Zuspruch auch von der IG Metall. Deren Erste Vorsitzende Christiane Benner erklärte: »Den jetzigen Vorstoß begrüßen wir klar. Die wirtschaftliche, gesellschaftliche und die geopolitische Situation erfordern Weitblick.«
Kritik, mehr an der Form als an der Sache selbst, kam von der Partei Die Linke. Partei- und Fraktionsspitze teilten am Mittwoch mit, das Sondervermögen Infrastruktur im Grundsatz zu unterstützen, einen Blankoscheck für Aufrüstung dürfe es indes nicht geben. »Das ist ein beispielloser und äußerst bedenklicher Vorgang.« Die Vorsitzenden von Partei und Fraktion kündigten zudem eine rechtliche Prüfung darüber an, ob die von Union und SPD geplante Entscheidung noch durch den alten Bundestag überhaupt verfassungskonform sei.
Unter denjenigen, die wie Gewerkschaften und Linkspartei kreditfinanzierte Investitionen in eine Erneuerung der maroden Infrastruktur begrüßen, nennt niemand das Offensichtliche: Gemäß der Logik einer »militärischen Mobilität« müssen Straßen, Schienen und Häfen des Landes in Schuss gebracht werden. Das Militärische hat auch hier Vorrang.
Wie junge Welt am Mittwoch aus Parlamentskreisen erfuhr, soll der alte Bundestag am Donnerstag kommender Woche erstmals über das in den Sondierungen von Union und SPD vereinbarte Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur beraten. Am darauffolgenden Dienstag soll dann nach zweiter und dritter Lesung abgestimmt werden. Für die notwendige Zweidrittelmehrheit kommt es auf eine Zustimmung vor allem der Grünen an.
Konkret sieht die Vereinbarung von Union und SPD neben dem Sondervermögen Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro vor, dass die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse so angepasst werden soll, dass Rüstungsausgaben ausgenommen sind, die über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Nach oben soll es keine Deckelung geben, ermöglicht werden damit also theoretisch unbegrenzte Kredite. Refinanziert soll die Anschaffung von Kriegsgerät und die Bereitstellung von Kriegsinfrastruktur mit einem erhofften Wirtschaftswachstum, das wiederum mittels erweiterter Staatsschulden, nämlich dem Sondervermögen Infrastruktur zu generieren sei. Im Klartext: Die schuldenbasierte Aufrüstung soll finanziert werden durch schuldenbasierte Investitionen in die Infrastruktur.
Abgesehen von der vorrangigen Tatsache, dass ein waffenstarrendes Deutschland immer eine Gefahr für die Welt ist, stellt sich die Frage, wer die Zeche zumindest langfristig zu zahlen hat. Die Kriegsgerätekredite werden früher oder später getilgt werden müssen – und zwar vor allem mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt, weshalb bei anderen Etatposten zu kürzen sein wird. Allerspätestens dann ist die ganze Angelegenheit eine direkte klassenpolitische Auseinandersetzung. Besser, der Widerstand gegen die monströse Militarisierung dieses Landes beginnt schon jetzt.
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»… stieß das Vorhaben am Mittwoch bei Gewerkschaften und Kapitalverbänden auf weitgehende Zustimmung.« Da müssten doch alle Alarmglocken ertönen! Aber man hat schon den richtigen Wortschatz, dies den Arbeitnehmern schmackhaft zu machen: »Die wirtschaftliche, gesellschaftliche und die geopolitische Situation erfordern Weitblick.« Außerdem, was würde es denn bringen, dieses »Sondervermögen« oder Infrastrukturmaßnahmen auszuschlagen? Dann wären sich die Medien und CDU/CSU/Grüne/FDP einig, dass die Führung der IG Metall das Geschäft Putins besorgt und der verlängerte Arm Moskaus sei. Die IG Metall würde es ablehnen, unsere freiheitlich-demokratische Ordnung gegen den autokratischen Ansturm aus dem Osten zu verteidigen. Wäre sie dann überhaupt noch vereinbar mit unserem Grundgesetz? Diese oder eine der nächsten Regierungen könnten dann (wie Mrs. Thatcher) eine längst notwendige »Reform« der Gewerkschaften ins Auge fassen, gerade jetzt, wo wir doch alle an einem Strick ziehen müssen gegen die russische Bedrohung. Man müsste das dann auch nicht »Deutsche Arbeitsfront« nennen, aber vielleicht »Gemeinschaftswerk zur Verteidigung der Demokratie«, an dem sich alle beteiligen könnten, die Arbeiter der Rüstungsbetriebe wie die Omas gegen rechts, wenn sie erneut Strümpfe gegen den russischen Winter für unsere Jungs stricken. Und dieses Gemeinschaftswerk bräuchte ja erneut Funktionäre, welche die Erfahrung haben, wie man bestimmte Dinge vermittelt, so dass die Arbeitnehmer ruhig bleiben. Wie gesagt, die geopolitische Situation erfordert Weitblick.