Berlin, New York, Isfahan
Von Gisela Sonnenburg
Weiße Bluse, roter Hosenrock, wallendes Haar und ein charmantes Lächeln im Gesicht: Anett Levander, Sängerin der Berliner Jazzformation Catfish Row, wirkt wie eine moderne Fee. Und wenn der Musiker Dirk Steglich die Bassklarinette überraschend rhythmisch einsetzt und Christian Raake am Tenorsaxophon ein sanftes Tremolo vorgibt, schwebt ihre Stimme über allem wie ein Gruß aus einer anderen Welt. So war Catfish Row am Dienstag zu erleben: in der Maigalerie der jungen Welt in Berlin, als Teil der Reihe »jW geht Jazz«, die von Hannes Zerbe kuratiert wird.
Der Sound ist einschmeichelnd und mal melancholisch, mal munter. Immer aber ist er balancierend-ausgewogen: zwischen aufgeregten, lebhaften Passagen und gediegen-getragenen Klangwogen pendelnd. Das bunte, nicht hysterische Straßenleben der Catfish Row (»Katzenwelsgasse«) – bekannt aus George Gershwins Oper »Porgy and Bess« – gab dem jazzenden Trio darum den Namen.
Songs von George Gershwin und vor allem auch von Duke Ellington bilden das Programm. Christian Raake arrangiert die für Orchester, sprich Big Band, konzipierten Songs fürs Trio neu: Leicht, aber nicht unkompliziert wirken sie dadurch. Manchmal treiben sie wie losgelöst in Richtung Free Jazz. Oft aber enthalten sie nachgerade klassisch-melodiöse Elemente, die sich mit Nachdruck in den Vordergrund schieben. Voll gerundet ist der Eindruck. Dass es nur zwei Instrumente, manchmal noch eine Rassel oder eine kleine Trommel, und eben die menschliche Stimme sind, die hier unplugged ertönen, ist kaum zu glauben. Aber Christian Raake legt es gerade darauf an.
Da kommt Stimmung auf. Vielleicht ähnelt sie der im »Cotton Club« in New York City in den 20er und 30er Jahren. Vielleicht ist sie auch sanftmütiger. Die »Far East Suite« (»Fernost Suite«) jedenfalls, die Duke Ellington erst in den 60er Jahren komponierte, entstand wegen einer von der US-Regierung bezahlten Reise. Ein Stück tänzelt und hüpft fast mozartianisch. Ellington, so heißt es, ließ sich von ausgelassen tanzenden Kindern inspirieren.
Ein Höhepunkt: »Back to Isfahan!« erzählt von der iranischen Metropole. Es beginnt a cappella, dann kommen die Bläser hinzu. Sachte absteigend illuminiert die Musik einen ratternden, schunkelnden Zug. Man denkt an die knisternde Hitze im Waggon, an die angenehme Trägheit der Menschen darin – und an die wechselhafte Schönheit der Landschaft draußen. Später sollte man ein Mahl einnehmen: Curry, Petersilie und Zitrone werden im Orient benutzt, um an heißen Tagen die Lebensgeister zu wecken. Nüsse und Rosinen sättigen zum Tee.
Wenn man aus Berlin kommt und musikalisch über New York bis Isfahan gereist ist, wird es fast schwierig, sich zu erden. Da hilft eine mit Knoblauch geschmorte Süßkartoffel. Anett Levander kündigt derweil das Umschalten zu Gershwin an. Ellington und er waren ja fast gleich alt. Allerdings starb Gershwin, Sohn jüdisch-russischer Einwanderer, schon 1937 mit 38 Jahren. Ellington wurde fast 75 Jahre alt und komponierte mehr als 2.000 Stücke. Etwas wie »Porgy and Bess« ist allerdings nicht dabei. Gershwin war zudem, wie Levander betont, ein Vorreiter: Seine Jazzoper spielt in der Welt der Schwarzen. Porgy ist in die hübsche Bess verliebt, als der Ganove, dem sie hörig ist, fliehen muss: Er tötete im Streit. Bess fühlt sich hilflos – Porgy nimmt sie auf. Die Verliebtheit und das Gefühl von Triumph über das Schicksal kulminieren in Porgys Liebeserklärung an das Leben (»I Got Plenty o’ Nuttin«).
»I Got Rhythm« (»Ich habe Rhythmus«) gab es schon vorher: schick aufgebrezelt. Dennoch passen die Stücke zusammen. Gershwin ist Gershwin, da ergänzt ein Puzzleteil das andere zu einem Kosmos. Fehlt zur philosophischen Vollständigkeit noch das »Wort zum Sonntag«, mit dem Auszug aus einer Messe von Duke Ellington. Auch die Zugabe deutet aufs Wochenende: »Mister Saturday Dance« (»Herr Sonnabendtanz«) heißt es da. O ja!
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