Für die deutsche Bombe
Von Philip Tassev
Bei den bürgerlichen Parteien scheint weitgehend Einigkeit darüber zu herrschen, dass Aufrüstung alternativlos sei. In den Behörden werden entsprechende Pläne längst umgesetzt. So hat der SPD-Verteidigungspolitiker Johannes Arlt – ein unter anderem in Israel und Schweden ausgebildeter Major der Luftwaffe – am Freitag im RBB-»Inforadio« erklärt, im Verteidigungsministerium würden zur Zeit Maßnahmen umgesetzt, um von den Gemeinden die Daten aller jungen Männer und Frauen zu bekommen und Musterungskapazitäten aufzubauen.
Nach dem unter Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ausgearbeiteten Modell für einen »neuen Wehrdienst« soll künftig »wehrdienstfähiges Personal« mittels eines Fragebogens erfasst und anschließend eine Auswahl erfolgen – bislang noch auf Basis der Freiwilligkeit. Da die hierfür notwendigen Strukturen nach dem Aussetzen der Wehrpflicht im Jahr 2011 abgebaut wurden, müssen die Kapazitäten bei Unterbringung und Ausbildung erst wieder geschaffen werden. Das dürfte mit dem geplanten Schuldenpaket, das quasi unbegrenzte Militärausgaben erlaubt, schneller gehen, als es sich Pistorius bei der Vorstellung seines Wehrdienstmodells im vergangenen Sommer noch erhofft hatte.
Noch ist der »Finanzplan«, den die Spitzen von SPD und Union in den vergangenen Tagen ausgehandelt haben, aber nicht in Sack und Tüten. Der 20. Bundestag soll sich nächste und übernächste Woche in Sondersitzungen damit befassen. Da aber der 21. Bundestag bereits gewählt wurde, ist die AfD der Ansicht, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) sei verpflichtet, den neuen Bundestag einzuberufen. »In der kommenden Woche liegen dafür mit dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl die Voraussetzungen vor. Der alte Bundestag ist allenfalls legitimiert, in Notfällen zu handeln, aber nicht, um grundlegende Weichen für die Zukunft zu stellen«, sagte der stellvertretende AfD-Vorsitzende Stephan Brandner am Freitag und kündigte an, zu Beginn der kommenden Woche vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu ziehen, falls die Sondersitzungen nicht abgesagt werden.
Dass hinter der Klagedrohung aber keine prinzipielle Ablehnung der Hochrüstung steckt, machte der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Rüdiger Lucassen, klar: »Deutschland braucht eigene Atomwaffen und zwingend eine Wehrpflicht – auch für Frauen. Dafür muss so schnell wie möglich das Grundgesetz geändert werden«, sagte der dem NATO-Flügel der rechten Partei angehörende Oberst a. D. am Freitag dem Nachrichtenportal T-online. Einen russischen Angriff auf die BRD halte er für eine »Option«, weshalb Deutschland »nuklear abschreckungsfähig« werden müsse, und zwar »im Rahmen einer strategischen Autonomie Europas und eines Systems kollektiver Sicherheit mit einer eigenen Militär- und Kommandostruktur«.
Auch der Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck, freigestellter Oberfeldwebel und Vorsitzender der AfD-Jugendorganisation »Junge Alternative« plädierte gegenüber T-online für einen deutschen »nuklearen Schutzschirm«. Die NATO hält er für »das Beste, was uns gerade zur Verfügung steht«. Sollte der seiner Ansicht nach unwahrscheinliche Fall eintreten, dass die USA die transatlantische Kriegsallianz verlassen, müsse die BRD die Führung in dem Militärbündnis übernehmen.
Die Linkspartei prüft laut ihrem Kofraktionsvorsitzenden Sören Pellmann ebenfalls den Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Seine Partei halte es für falsch, die Entscheidung von einem Bundestag treffen zu lassen, der de facto nicht mehr im Amt sei, sagte er am Freitag im Deutschlandfunk. Das sei ein »Missbrauch der alten Mehrheiten«. Das 100-Milliarden-Euro-»Sondervermögen« für die Bundeswehr hält er für völlig ausreichend. Auch das klingt nicht nach einer prinzipiellen Ablehnung des eingeschlagenen Rüstungskurses.
Ihre grundsätzliche Gegnerschaft zur Militarisierung und Aufrüstung demonstrierten hingegen Unbekannte im äußersten Westen Berlins. Auf einem Grundstück in Spandau brannten in der Nacht auf Freitag sieben Bundeswehrfahrzeuge aus.
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