Labour plant Kriegshaushalt
Von Christian Bunke
Die britische Regierung plant einen Kriegshaushalt und will gleichzeitig den Krieg gegen Erwerbsunfähige und Menschen mit chronischen Krankheiten sowie Behinderungen im Inland verschärfen. Die Steilvorlage dafür kommt vom britischen Rechnungshof, dem »Office for Budget Responsibility« (OBR). Er sieht in Vorbereitung auf die für den 26. März geplante Haushaltsrede von Finanzministerin Rachel Reeves die Notwendigkeit von zusätzlichen Einsparungen in Höhe von fast zehn Milliarden Pfund vor.
Zwei Dinge spielen hier eine Rolle. Das eine ist die veränderte Ukraine-Politik der USA unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump. Der britische militärisch-industrielle Komplex wittert aufgrund eines möglichen Rückzugs US-amerikanischer Interessen aus Zentraleuropa Morgenluft und möchte gerne in die Bresche springen. Großbritannien verfolgt seit Anfang der 2000er Jahre eigene Interessen in der Ukraine, etwa durch Unterstützung verschiedener zivilgesellschaftlicher Organisationen. Inzwischen diskutiert die sozialdemokratische Regierung offen über die Entsendung eigener Truppen. Das aber würde kosten. In der vergangenen Woche kündigte Premierminister Keir Starmer deshalb an, die Rüstungsausgaben ab dem Jahr 2027 um 13,4 Milliarden Pfund zu erhöhen. Sie sollen dann eine Höhe von drei Prozent des britischen Bruttoinlandsprodukts haben. 2027 ist allerdings noch eine Weile hin. Vorher stünde laut britischem Gesetz eine Wahl an.
Dennoch begrüßte Sharon Graham, die Generalsekretärin von Großbritanniens größter Industriegewerkschaft UNITE, Starmers Vorhaben, »britisches Wachstum, britische Jobs, britische Fähigkeiten und britische Innovation« zu stärken. Das müsse aber mit der Anschaffung von Kriegsgerät, das in Großbritannien hergestellt werde, einhergehen, um die Jobs von 70.000 UNITE-Mitgliedern in Großbritannien zu sichern, so Graham am Donnerstag in einem Meinungsbeitrag für die Tageszeitung The Guardian. Großbritannien dürfe nicht von amerikanischen Technologien abhängig werden. Deshalb forderte Graham unter anderem die Anschaffung von britischen Kampfjets bei der Erneuerung der Luftwaffe.
In der Innenpolitik findet die Kriegstreiberei auch wegen des Geldes eine Entsprechung. Labour plant neue Angriffe auf die britische »Überschussbevölkerung«, Menschen also, die aufgrund ihrer Erkrankungen weder arbeits- noch kriegsfähig sind. Laut einer im September 2024 veröffentlichten Studie des rechten Thinktanks Institute for Fiscal Studies sind die staatlichen Kosten für die Unterstützung von Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten sei Beginn der Coronapandemie im Frühling 2019 bis zum Jahr 2024 um 65 Millionen Pfund angewachsen. Allein im Zeitraum von 2023 bis 2024 stieg die Zahl jener, die Berufsunfähigkeitsunterstützung in Anspruch nehmen, um 28 Prozent. Eine Ursache dafür dürfte die staatliche Durchseuchungspolitik während der Coronakrise sein. Innerhalb der Bevölkerung grassieren seitdem Long-Covid-Phänomene, die weltweit zu einem drastischen Anstieg chronischer Erkrankungen und Behinderungen beitragen.
Die britische Sozialdemokratie macht aus ihrer Abneigung gegen solche Personengruppen keinen Hehl. Diese Woche zitierten verschiedene britische Medien, darunter der New Statesman, Guardian und die Onlinezeitung i eine anonyme Quelle aus dem Umfeld der Finanzministerin. Diese Person soll den Medien gesagt haben, dass auch ohne die »in den letzten Monaten drastisch veränderte Weltlage« Einsparungen bei der Berufsunfähigkeit geplant seien. Schließlich handele es sich bei Labour um »eine Partei der Arbeit«, und nicht um eine Partei der Berufsunfähigkeit. Deshalb sei geplant, neue »Anreize« zu schaffen, um berufsunfähig geschriebene Menschen wieder zurück in den Arbeitsmarkt zu bringen.
Diese anonymen Aussagen dürften mit Rachel Reeves abgesprochen sein. In den vergangenen Jahren hatte sie mehrfach geäußert, Labour werde Sozialleistungen härter kürzen als die Tories. Umfragen geben ihr recht. Laut einer monatlich aktualisierten Umfrage des Yougov-Instituts sagen 53 Prozent aller Befragten in England, dass es zu einfach sei, Zugang zu Sozialleistungen zu bekommen. In der seit 2019 geführten Dauerumfrage ist das ein Höchstwert, und ein Anzeichen für eine wachsende behindertenfeindliche Stimmung innerhalb der britischen Gesellschaft.
Die Kritik aus der britischen Zivilgesellschaft an den Kürzungsplänen ist bislang verhalten. Abgelehnt werden sie bislang offiziell von der Gewerkschaft für Staatsangestellte PCS und der Feuerwehrgewerkschaft FBU. FBU-Generalsekretär Steve Wright bezeichnete die Planspiele der Regierung in einer Pressemitteilung als »skandalös«.
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