Neoliberale Kriegswirtschaft
Von Lucas Zeise
Ein Programm, das der Börse gefällt. Die Schuldenbremse wird abgeschafft, aber nur für Staatsausgaben, die der Aufrüstung dienen. Als Dreingabe gibt es noch ein Sondervermögen von einer halben Billion Euro für öffentliche Investitionen aller Art. Endlich übernimmt das finanzstarke, solide finanzierte Deutschland die Führung beim Rüstungskeynesianismus. Die Wirtschaftsflaute wird durch Neuverschuldung überwunden. Alle Bedenken sind weg. Die Hauptpartei der deutschen Kapitalisten lässt sich unter Friedrich Merz endlich dazu bewegen, das Staatsbudget ungehemmt zur Konjunktur- und Kriegsförderung zu verwenden.
Es schadet zunächst auch nicht, wenn der künftige deutsche Kanzler bei den Kriegsfortsetzungsberatungen gegen Russland noch gar nicht dabei ist. Dass der Krieg in und um die Ukraine fortgesetzt werden soll, konnten auch die Herren Macron und Starmer sowie Frau von der Leyen deutlich machen. Marktwirksam ist die Entscheidung der deutschen künftigen Regierungskoalition, diesen Krieg und weitere mit »whatever it takes« (was auch immer an Geldmitteln erforderlich ist) zu finanzieren.
Seit Jahresbeginn schon laufen die bisher »unterbewerteten« europäischen Aktienmärkte besser als die der USA. In den letzten Jahren hatte sich der Finanzboom stark auf die führende Kapitalnation konzentriert. Der Anteil der USA an der Realökonomie der Welt beträgt heute immer noch etwa 27 Prozent. Der »Wert« der US-Aktiengesellschaften macht dagegen fast 70 Prozent aller Börsenwerte des Globus aus. Die sieben irrwitzig hoch bewerteten Techwerte aus den USA, die Microsoft, Alphabet, Apple etc. plus die Newcomer Tesla und Nvidia produzieren riesige Profitmassen, ziehen aber noch mehr Kapital aus aller Welt an. Der US-Aktienmarkt ist in der letzten Dekade viermal so stark gestiegen wie im Rest der Welt. Die seit 2007 durchweg höheren Wachstumsraten der US-Wirtschaft, verglichen mit denen Europas und Japans sind nicht der Grund für den Börsenboom dort, sondern seine Folge.
Der Auftrieb der Aktienmärkte konzentrierte sich in den letzten Tagen noch deutlicher auf Europa. Der Dax übernahm die Führung. Der Euro stieg von 1,02 auf 1,08 Dollar. Und am wichtigsten: Die Renditen für (langfristige) deutsche Staatsanleihen stiegen zwar, aber nur um höchstens 20 bis 30 Basispunkte – und blieben unter drei Prozent. Der Appetit auf neue Rüstungsbonds vom deutschen Staat ist ungebrochen. Die EZB senkte ungerührt ihre Leitzinsen am Donnerstag um ein weiteres Viertelpünktchen. Die Deutsche Bank vergleicht den Aufschwung mit der Entscheidung Helmut Kohls anno 1990, mit Hilfe vieler Milliarden frisch geschöpfter D-Mark die DDR zu übernehmen. Ein Finanzboom in Europa war die (kurzfristige) Folge.
Vorläufige Schlussfolgerung: Das Finanzkapital billigt, nein bejubelt den neuen Rüstungskapitalismus Deutscheuropas. Donald Trumps Zölle werden dagegen getadelt. Beim Übergang vom Neoliberalismus zur Kriegswirtschaft übernimmt EU-Europa die Führung. Warum nicht eine Kombination aus beiden Übeln? Die neoliberale Kriegswirtschaft.
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