Für konstantes Wirtschaftswachstum: Beijing stärkt Inlandskonsum
Von Jörg Kronauer
Konstantes Wachstum, mehr Konsum: Das sind die Kernziele, die Beijing dieses Jahr für die chinesische Wirtschaft verfolgt. Ministerpräsident Li Qiang hat das vergangene Woche auf dem Nationalen Volkskongress in Beijing bestätigt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll, wie schon im vergangenen Jahr, um fünf Prozent zunehmen. Das entspricht in etwa den Vorhersagen des Internationalen Währungsfonds (IWF), der der Volksrepublik für 2025 ein Wachstum von 4,6 Prozent prognostiziert. Damit rückt China näher an die – in absoluten US-Dollarwerten – stärkste Wirtschaftsmacht der Welt heran, an die Vereinigten Staaten, deren BIP im vergangenen Jahr deutlich weniger wuchs – um 2,8 Prozent – und denen der IWF für 2025 ein Plus von lediglich 2,7 Prozent zutraut. Gleichzeitig eilt die Volksrepublik in raschem Tempo der drittgrößten Wirtschaftsmacht der Welt, Deutschland, davon, das nur noch ein Viertel des chinesischen BIP auf die Waage bringt und dessen Wirtschaft seit 2023 schrumpft.
Um das angestrebte Wachstum zu erreichen, wird Beijing den Inlandskonsum deutlich stärken müssen. Die weltpolitischen Rahmenbedingungen sind nicht günstig für den Export, der bislang stark zum Anstieg des chinesischen BIP beigetragen hat; die Zölle, die die USA unter Trump nun zusätzlich zu den bereits bestehenden verhängt haben, sind nur das jüngste Beispiel. »Zweifellos haben sich die negativen Auswirkungen vertieft«, räumte der Sprecher des Nationalen Volkskongresses, Lou Qinjian, vergangene Woche ein: »Die internationale Nachfrage ist ungewisser, die heimische Nachfrage ist unzureichend.« Sie muss gesteigert werden. Dazu soll nun unter anderem das soziale Sicherheitsnetz ausgebaut werden, um den Privathaushalten, die aktuell mehr Geld als zuvor auf die Bank bringen – man will schließlich für Unglück gewappnet sein –, größere Spielräume für den Konsum zu eröffnen. Man müsse im Inland »so schnell wie möglich reale Ausgaben generieren«, erklärte Ministerpräsident Li.
Dazu sollen die Staatsausgaben erhöht werden, und zwar um 6,9 Prozent. Etwas über dem Durchschnitt – und über dem Wirtschaftswachstum – liegt der Anstieg der Ausgaben für das Militär, den Li auf 7,2 Prozent bezifferte. Damit steigt der Wehretat auf umgerechnet rund 232 Milliarden US-Dollar. In Beijing wird darauf hingewiesen, dass das immer noch weniger als 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung sind; in der NATO wäre die Volksrepublik damit eines der Schlusslichter und würde allseits massiv bedrängt, endlich mehr zu rüsten. Um den Anstieg der Staatsausgaben zu finanzieren, will Beijing mehr Schulden machen. Geplant ist ein Anstieg von drei Prozent des BIP im vergangenen Jahr auf vier Prozent und damit ein Anstieg um rund 170 Milliarden Euro. Offiziell liegt die Verschuldung der Volksrepublik zur Zeit bei 67,5 Prozent des BIP. Es gibt andere Berechnungen; der IWF etwa kommt auf 84,4 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Staatsschuldenquote bei 63 Prozent, in anderen westlichen Staaten erheblich höher (Großbritannien: 95 Prozent; Frankreich: 110 Prozent; USA: 120 Prozent; Japan: 250 Prozent). Für China kursieren auch noch weit höhere Berechnungen; diese beziehen die Schulden von Staatskonzernen ein, ohne jedoch deren Vermögenswerte und Erträge angemessen zu berücksichtigen.
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