Ein Bayer poltert in Bosnien
Von Roland Zschächner
Die NATO steht bereit: Das war die Botschaft, die der Generalsekretär der Kriegsallianz, Mark Rutte, am Montag bei seinem Besuch in Bosnien und Herzegowina verbreitete: »Es ist nicht 1992, und wir werden kein Sicherheitsvakuum zulassen«, so Rutte bei einem Treffen mit der dreiköpfigen bosnischen Staatsführung. Er fügte hinzu, das Land »kann auf die volle Unterstützung der NATO zählen und sollte sich auf seinen europäischen und euroatlantischen Weg begeben«. Von diesem vom Westen vorgeschriebenen Weg abgekommen ist Bosnien durch einen Konflikt, der nun bereits seit Jahren schwelt und eng mit einem Namen verknüpft ist: Christian Schmidt.
Schmidt ist Statthalter des Westens in Bosnien und geht auf Konfrontationskurs mit Milorad Dodik, dem Präsidenten der Republika Srpska (RS). Der vorwiegend von Serben bewohnte Landesteil, der rund die Hälfte des Staatsgebiets ausmacht, verlangt seit Jahren mehr Eigenständigkeit. Der Hohe Repräsentant Schmidt wirft Dodik deswegen Separatismus vor. Zugleich versuchen die politischen Institutionen der RS, sich mehr Kompetenzen zu verschaffen. Im Mittelpunkt steht dabei auch das Staatseigentum.
Hintergrund dürften Rohstoffe in dem Grenzgebiet zu Serbien sein. Dort wird unter anderem das für die Elektromobilität begehrte Mineral Lithium vermutet. Auch deutsche Firmen haben Interesse daran bekundet. Die Frage ist, wem die Bodenschätze gehören – der RS oder dem Zentralstaat. In Banja Luka setzt man darauf, die Eigentumsfrage per Gesetz zu klären. Ein entsprechender Vorstoß von 2022 wurde von Schmidt kassiert. Dodik konterte 2023 und erklärte alle Entschlüsse des bosnischen Verfassungsgerichts und die Entscheidungen des Hohen Repräsentanten in der Republika Srpska für ungültig.
Daraufhin musste sich Dodik vor Gericht verantworten. Am 26. Februar dieses Jahres erging gegen ihn das Urteil in erster Instanz: ein Jahr Haft und ein sechsjähriges Politikverbot. In Banja Luka reagierte man umgehend. Die Strafverfolgungs- und Justizbehörden des Zentralstaats wurden aus der RS verbannt; am 6. März trat die Entscheidung mit der Unterschrift Dodiks in Kraft, einen Tag später kippte der Verfassungsgerichtshof in Sarajevo sie wieder. Die EU-Militärmission Eufor Althea, an der sich auch die Bundeswehr beteiligt, kündigte noch am selben Tag an, ihre Truppen zu verstärken, wenn nötig mit NATO-Soldaten.
Dodik, der einst mit US-Hilfe an die Macht gebracht wurde, sieht sich bei seinem Vorgehen ganz auf Linie mit der bosnischen Verfassung und dem Abkommen von Dayton. Das sollte 1995 nach drei Kriegsjahren die ehemalige jugoslawische Republik befrieden, schuf aber ein fragiles, nicht funktionierendes Konstrukt. »Wir haben immer geglaubt, dass Dayton respektiert werden muss«, sagte Dodik am vergangenen Donnerstag nach einem Treffen mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić. Im Gegensatz dazu hätten die Bosniaken »das ursprüngliche Dayton-Abkommen nie akzeptiert«. Er fügte hinzu: »Die Bosniaken aus Sarajevo wollen einen bewaffneten Konflikt in Bosnien und Herzegowina.«
Die Kriegsgefahr wächst, auch weil es keine Instanz gibt, die vermitteln könnte. Der Hohe Repräsentant wäre dafür vorgesehen. Doch den Posten beansprucht seit 2021 der bereits genannte Schmidt. Es fehlt ihm nicht nur an Legitimation; die sogenannte internationale Gemeinschaft steht nicht geschlossen hinter ihm, da ihm Russland und China die Zustimmung im UN-Sicherheitsrat verweigern. Auch hat er sich mit seinem autoritären Gehabe ins Abseits gestellt.
Der ehemalige Gebirgsjäger mit Hang zu militaristischer Traditionspflege tut sich mit Demokratie schwer. Das bewies er bereits als deutscher Landwirtschaftsminister, als er 2017 dafür stimmte, das Herbizid Glyphosat in der EU zuzulassen, obwohl das im Kabinett anders abgesprochen war. 2022 beschimpfte er die Politik seines Gastlandes als »Müll«; wenige Wochen später änderte er noch am Wahltag das Wahlgesetz zugunsten der kroatisch nationalistischen HDZ, die die Schwesterpartei der CSU ist. Wenn Schmidt nun davon redet, dass jeglicher Angriff auf die Souveränität, die territoriale Integrität oder die institutionelle Funktionsfähigkeit von Bosnien und Herzegowina eine rote Linie seien, die nicht überschritten werden dürfe, lenkt er damit davon ab, dass gerade er es ist, der das tut.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- piemags/imago24.02.2024
NATO wird Weltpolizei
- Marko Djurica/REUTERS24.01.2024
Westen sucht Betrug
- Susana Vera/REUTERS05.07.2023
Berlins Hinterhof
Mehr aus: Ausland
-
Grönland hat gewählt
vom 12.03.2025 -
Neue Allianz in Syrien
vom 12.03.2025 -
Hauptziel Vertreibung
vom 12.03.2025 -
Rumänischer Wahlsieger gestoppt
vom 12.03.2025 -
Erster Stimmungstest in Honduras
vom 12.03.2025 -
»Maja T. wurde an einer Leine im Saal vorgeführt«
vom 12.03.2025