Krisenangst geht um
Von Lucas Zeise
Selbst US-Aktien erleben Rückschläge. Zu erleben war das am Montag. Der breite Index S&P von 500 großen Aktien fiel um 2,7 Prozent, der Nasdaq Composite, der die modernen »Hochtechnologie«-Aktien enthält, sogar um vier Prozent. Schon die Woche zuvor war schlecht gelaufen.
Mit minus 3,1 Prozent habe der S&P 500 die übelste Wochenperformance seit einem halben Jahr erlebt, klagten die Börsenberichterstatter. Der Index habe seit seinem Rekordhoch zum Jahresanfang nun schon acht Prozent eingebüßt und der Nasdaq-Index seit seinem Höchststand immerhin 13 Prozent. Es sind Klagen auf hohem Niveau. Schließlich hat der Aktienmarkt in den USA zwei Jahre glänzender Kurssteigerungen erlebt. Unmittelbar nach der Wahl Donald Trumps ging es zunächst weiter nach oben. Aber kurz nach dem Jahreswechsel änderte sich die Stimmung. Vor allem im Vergleich zu den Börsen in Europa blieben die in den USA gelisteten Werte zurück.
Die Risiken einer Rezession auch in den USA mehren sich, war die häufig geäußerte Interpretation. An handfesten Daten dafür besteht allerdings Mangel. Plausibel sind die Ansichten der Mehrzahl der Ökonomen, die auf die potentiell schädlichen Wirkungen von Trumps Zöllen hinweisen. Dass die US-Regierung bisher in vielen Fällen angedrohte Zölle zurücknimmt, ihr Inkrafttreten verschiebt, um sie schließlich doch zu erheben, sorgt zusätzlich für Unsicherheit. Dass die Gegenreaktion Chinas, Zölle auf Importe aus den USA zu erheben, just am Montag – als die US-Aktien einen richtig schlechten Tag hatten – in Kraft traten, ist wohl eher Zufall. Die US-Notenbank hatte bei ihrer regulären Sitzung vergangene Woche keinen Anlass gesehen, den Leitzins weiter zu senken. Goldman Sachs, die immer noch führende Investmentbank in den USA, senkte die Wachstumserwartungen für dieses Jahr von 2,4 auf 1,7 Prozent. Rezession ist das noch lange nicht. 1,7 Prozent Wirtschaftswachstum im Jahr 2025 würde in Deutschland bejubelt werden.
Vergleichsweise unerfreulich sieht es bei der Inflation aus, deren Jahresrate sich bei etwa drei Prozent hält. Übler noch ist, dass die Erwartungen für die Inflation im kommenden Jahr jüngst von 3,3 auf 4,3 Prozent gestiegen sind. Der Konsum, der in den USA eine sehr viel größere Rolle für die Konjunkturentwicklung spielt als in der BRD, dürfte folglich schwächeln. Andererseits deutet der unter 70 Dollar je Barrel gesunkene Ölpreis eher an, dass die Inflation nicht auch noch von anderen Faktoren als den Einfuhrzöllen angetrieben wird.
Eine plausible These für den Rückgang der Aktienkurse lautet, Trump und seine Regierung hätten ihn selbst provoziert. Auf seinem Lieblingssender Fox News hatte Trump gesagt, eine Rezession sei nicht auszuschließen. Und Trumps Finanzminister Scott Bessent hatte von einer »notwendigen Entgiftungsphase« gesprochen, die die US-Wirtschaft durchmachen müsse, bevor »America« wieder »great« werden könne. Die Annahme, dass die Regierung einen kräftigen Rückgang der Aktienkurse mit allen Mitteln verhindern werde, sei damit hinfällig. Alle US-Regierungen spätestens seit Bill Clinton haben – vor allem durch die Ankündigung von Subventionen und anderer Ausgabenprogramme – den Aktienmarkt gestützt. Donald Trump hatte explizit einen munter steigenden Aktienmarkt zum Regierungsziel erklärt. Das ist insofern rational, als steigende Aktienkurse auf vielerlei Weise nicht nur den Finanzsektor, sondern auch die breite Wirtschaft expandieren lassen.
Der bisher noch nicht dramatische Rückgang der Aktienpreise kann demnach als Test interpretiert werden, ab wann die Regierung Trump ein Rettungspaket auf den Weg bringt. Bisher lief der Test wohl etwas enttäuschend. Denn auf die Tatsache, dass die Tesla-Aktie seines Milliardärkumpels Elon Musk nicht nur am Montag mehr als 15 Prozent, sondern gegenüber dem bisherigen Rekordhoch im Dezember glatt die Hälfte seines Wertes verloren hatte, reagierte Trump mit der Bemerkung, er werde demnächst einen Tesla kaufen. Die neue Ironie ihres Präsidenten muss die Anlegerschaft in den USA bedenklich stimmen.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
-
Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (12. März 2025 um 10:17 Uhr)Ökonomen und Wirtschaftsjournalisten jonglieren oft mit prozentualen Wachstumsraten, die sich in der Realität als unzuverlässig oder irreführend erweisen. Auch Lucas Zeise bildet hier keine Ausnahme. Das grundlegende Problem bleibt bestehen: Das Wachstum des US-BIP basiert fast ausschließlich auf Börsen- und Aktienwerten, während die tatsächliche Produktion kaum eine Rolle spielt. Statistiken können täuschen, und Börsenwerte werden heute stark durch algorithmische Handelsstrategien und gezielte Korrekturen beeinflusst. Eines steht fest: In den USA findet keine substanzielle Produktion statt, die das enorme Staatsdefizit ausgleichen könnte. Vielmehr gleicht die US-Wirtschaft einem riesigen Kartenhaus, das auf exzessiver Geldschöpfung basiert – das sprichwörtliche »Dollardrucken« ist längst zum »Volkssport« geworden. Doch wie jede Trickserei wird auch dieser Taschenspielertrick nicht ewig halten. Angst gepaart mit der launischen Risikobereitschaft der Führung ist ein schlechter Ratgeber. Nicht umsonst sorgen die Furcht vor einer Rezession und die unberechenbare Wirtschaftspolitik von US-Präsident Donald Trump für Unruhe an den Finanzmärkten. Nach den Kursverlusten an der Wall Street zu Wochenbeginn setzten sich diese am Dienstag fort, und die weltweiten Börsen gerieten unter Druck. Sollte Trump in Kürze keine Erfolge vorweisen können, dürfte die ohnehin gegen ihn eingestellte Presse ihn innerhalb der ersten hundert Amtstage regelrecht zerfleischen.
- Antworten
Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:
Ähnliche:
- jW08.02.2025
Trumps Zollpolitik
- Julia Fuchs04.10.2024
Stimmung im Keller
- Al Drago-Pool via CNP/ZUMA Wire/IMAGO08.11.2022
Lame duck
Regio:
Mehr aus: Kapital & Arbeit
-
Protest gegen Ausverkauf
vom 12.03.2025 -
Beijing gibt im Handelskrieg Kontra
vom 12.03.2025