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Aus: Ausgabe vom 13.03.2025, Seite 6 / Ausland
Devisenmangel

Bolivien auf dem Trockenen

Unzufriedenheit wächst angesichts eklatanten Treibstoffmangels. Rechte will privatisieren
Von Volker Hermsdorf
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Schlangen bis zum Horizont: In Bolivien ist der Treibstoff knapp (Cuatro Canadas, 11.3.2025)

Bolivien befindet sich in einer Versorgungskrise, die durch Mangel an Kraftstoffen aufgrund steigender internationaler Ölpreise gekennzeichnet ist. Seit Tagen bilden sich an den Zapfsäulen lange Fahrzeugschlangen. Einige Tankstellen seien wegen Diesel- und Benzinmangel geschlossen, berichten örtliche Medien. Busse und Müllabfuhr mussten den Betrieb teilweise einschränken, Landwirte warnen vor Auswirkungen auf die beginnende Reis- und Sojaernte. Seit Montag werden in der von den konservativen Wirtschaftseliten dominierten Region Santa Cruz mehrere Hauptverkehrsstraßen blockiert. Die Regierung soll unter Druck gesetzt werden, um die Treibstoffversorgung so schnell wie möglich zu sichern. Anderenfalls drohte die Gewerkschaft der angestellten Kraftstofffahrer für Freitag den Beginn eines zunächst 48stündigen Streiks an.

Staats- und Regierungschef Luis Arce gerät damit vor den Präsidentschaftswahlen am 17. August zunehmend unter Druck. Als erste Sofortmaßnahme ermächtigte er den staatlichen Energiekonzern YPFB am Montag per Dekret, US-Dollar für den Kauf von Rohöl, Diesel und wichtigen Rohstoffen für die Benzinherstellung zu erwerben. Nach Auffassung der Regierung sei eine »vorübergehende Illiquidität von Devisen« der Hauptgrund für die Verknappung, die allerdings schon seit Monaten anhält. YPFB habe »keine Liquiditätsprobleme in nationaler Währung. Unser Problem ist die Beschaffung von Devisen, mit denen wir Lieferanten für den Import von Brennstoffen bezahlen«, erklärte der Minister für Kohlenwasserstoffe (Öl und Gas) und Energie, Alejandro Gallardo. Arces Dekret erlaubt dem Konzern nun Budgetänderungen und zusätzliche Ausgaben für die Beschaffung von Devisen. Die Regierung hat zudem angekündigt, vorübergehend Treibstoff zu internationalen Preisen zu importieren, um insbesondere den Bedarf der Landwirtschaft und des Bergbausektors zu decken. Der Präsident der Interessensvertretung der Transportunternehmen »Cámara de Transporte del Oriente«, Luis Áñez, forderte dagegen langfristige Lösungen anstelle kurzfristiger »Flickschusterei«. Wirtschaftsverbände schlagen dazu unter anderem eine »Liberalisierung« der Importe und die Abschaffung der staatlich festgelegten Preisbindung vor.

Verteidigungsminister Edmundo Novillo beschuldigte daraufhin am Dienstag die Wirtschaftselite von Santa Cruz, mit der Forderung nach freien Treibstoffimporten ohne jegliche Kontrolle vor allem den Staatskonzern YPFB schwächen zu wollen. Nach Ansicht des Ministers würden derartige Maßnahmen nur privaten Geschäftsleuten zugute kommen und die Energiesouveränität des Landes gefährden. »Sie sagen uns auf verdeckte Weise, dass sie das Kohlenwasserstoffgeschäft privatisieren und die YPFB abschaffen wollen. Sie wollen, dass der Staat seine Rolle beim Kauf und der Ausbeutung von Kohlenwasserstoffen aufgibt, damit der Privatsektor das Geschäft übernehmen kann«, sagte er. »Doch wenn dieser Bereich an den privaten Sektor übergeben wird, welche Garantien gibt es dann, dass sie die Preise erschwinglich halten oder dass sie der inländischen Versorgung Vorrang vor ihren eigenen Gewinnen einräumen?« warnte Novillo. YPFB-Manager Danny Roca Jiménez wies darauf hin, dass die Preise für Benzin in Bolivien zu den niedrigsten in der Region gehören.

Präsidialministerin María Nela Prada machte die globale Krise und deren Auswirkungen auf die internationale Energieversorgung für die Situation verantwortlich und prangerte eine »Sabotage« gegen die Regierung an. Der rechten Opposition, aber auch den Anhängern des aus der Regierungspartei MAS ausgetretenen ehemaligen Präsidenten Evo Morales warf Prada vor, im Parlament seit Monaten die Genehmigung externer Kredite in Höhe von mehr als 1,6 Milliarden US-Dollar zu blockieren. »Andere Länder wie Chile, Peru und Ecuador erhalten Devisen aus internationalen Krediten. Hier hingegen werden sie für politische Zwecke blockiert, was zu einer wirtschaftlichen Strangulierung führt und der Bevölkerung schadet«, erklärte Novillo. Laut einem Telesur-Bericht benötigt Bolivien wöchentlich rund 60 Millionen US-Dollar für den Erwerb von Kohlenwasserstoffen.

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