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Aus: Ausgabe vom 13.03.2025, Seite 6 / Ausland
Ende der Minderheitsregierung

Portugal ohne Premier

Premierminister Montenegro muss wegen angeblicher Interessenkonflikte gehen – Portugal steht vor dritter Wahl in drei Jahren
Von Carmela Negrete
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Enttäuscht: Portugals bisheriger Premier Montenegro muss abdanken (Lissabon, 11.3.2025)

Portugal kann Spanien nicht beneiden, denn auch hier gilt: jede Menge Korruptionsfälle, verdächtige Justiz, eine kleine und zersplitterte Linke sowie chronisch instabile Regierungsbildungen. Am Dienstag nachmittag hat der bisherige Premierminister Luís Montenegro im Parlament die Vertrauensfrage gestellt und wurde abgewiesen. Damit ist seine Minderheitsregierung am Ende. In mehreren Medien wurde berichtet, dass bis zur letzten Minute hinter verschlossenen Türen verhandelt worden war. Die Sozialdemokraten des Partido Socialista (PS) wollten, dass sich eine parlamentarische Untersuchungskommission mit dem Fall von möglichen Interessenkonflikten Montenegros befasst, und reichten dafür einen Antrag ein.

Die Partei Partido Social Democrata (PSD), eine Mitte-rechts-Formation, bot den Sozialdemokraten eine zweiwöchige Untersuchungskommission an, was diese jedoch ablehnten. Am Ende stimmte die große Mehrheit der Parteien in der Assembleia da República gegen Montenegro – mit der Ausnahme der unbedeutenden liberalen Partei Iniciativa Liberal und der Volkspartei CDS. Er stand unter dem Druck öffentlicher Kritik wegen eines möglichen Korruptionsfalls, in den das Unternehmen seiner Familie verwickelt ist. Die Sozialdemokraten, die rechtsextreme Partei Chega und die linken Parteien Bloco de Esquerda und Partido Comunista entzogen Montenegro das Vertrauen, auch wenn Montenegro bisher kein Rechtsbruch nachgewiesen werden konnte.

Es gibt jedoch gute Gründe für den Korruptionsverdacht: Seine Ehefrau und Kinder besitzen eine Firma, die Verträge mit einer Gruppe hatte, die staatliche Konzessionen erhielt. Doch trotzdem ist in dem Fall Vorsicht geboten, denn in Portugal gab es in den vergangenen Jahrzehnten öfter mal Anschuldigungen, die sich dann als heiße Luft entpuppten oder nie bewiesen werden konnten. Es scheint ein Krieg auf juristischer Ebene zu sein – zwischen den Volksparteien des Zweiparteiensystems, das im Land lange herrschte.

Der bekannteste Fall betraf im Jahr 2023 den damaligen Premierminister António Costa, der nun Präsident des Europäischen Rates ist. Er trat wegen eines Korruptionsvorwurfs zurück, doch im nachhinein stellte sich heraus, dass der Sozialdemokrat gar nicht gemeint war, sondern die Justiz ihn »verwechselt« hatte – der Schuldige war ein anderer Antonio Costa. Doch zu dem Zeitpunkt war er schon zurückgetreten, und die Neuwahlen waren entschieden. Und auch José Sócrates vom PS – ebenfalls ein ehemaliger Premierminister – wurde der Geldwäsche und Urkundenfälschung beschuldigt und musste 2011 gehen. Doch ein Prozess fand bis heute nicht statt.

Der konservative PSD hatte bisher keine absolute Mehrheit mit seinen 80 Sitzen, und Montenegro war erst seit vorigem April im Amt. Das Szenario deutet nun in Richtung vorgezogener Parlamentswahlen, wenn der Präsident Marcelo Rebelo de Sousa, wie erwartet, die Kammer auflöst. Diese würden voraussichtlich Mitte Mai stattfinden. Montenegro, der seine Unschuld beteuert, will erneut kandidieren. Und die derzeitigen Umfragen deuten auf einen Sieg seiner Wahlkoalition Alianza Democratica hin – mit 30 Prozent der Stimmen. Die Sozialdemokraten könnten mit 29 Prozent etwas zulegen. Doch im Grunde bewegt sich nicht allzu viel in den Umfragen. Auch die Zustimmungswerte für die rechtsextreme Chega bleiben unverändert. Bei den vorherigen Wahlen im März 2024 konnte die relativ neue Partei mit 18 Prozent der Stimmen die Zahl ihrer Sitze von zwölf auf 50 erhöhen, ein bis dahin undenkbares Ergebnis für eine faschistische Partei in Portugal.

Die linken Parteien verharren auf einem sehr niedrigen Niveau, mit weniger als drei Prozent der Stimmen jeweils für den Bloco de Esquerda und die CDU, die Koalition, der die Kommunistische Partei (PCP) angehört. Der Generalsekretär des PCP, Paulo Raimundo, erklärte am Mittwoch, dass sich seine Partei nicht »an diesem Schauspiel, in dem alles wichtig erscheint – außer dem Leben der Menschen«, beteiligen wolle. Denn »das Kapital gibt den Ton an, die Regierung führt aus. Die Iniciativa Liberal und Chega unterstützen, und die PS treibt ihre Unterstützung bis an die Grenze«. Den Parteien gehe es darum, die Agenda der Wirtschaftsgruppen um jeden Preis zu retten.

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