Auf Eskalationskurs
Von Roland Zschächner
Die 90er Jahre sind in Bosnien-Herzegowina zurück. So scheint es jedenfalls angesichts der sich täglich zuspitzenden Lage. Dabei stehen sich gegenüber: die Republika Srpska (RS) mit ihrem Präsidenten Milorad Dodik und der bosnische Zentralstaat mit seinen westlichen Unterstützern, allen voran der CSU-Politiker Christian Schmidt.
Jüngster Höhepunkt sind die Haftbefehle gegen Dodik und zwei weitere RS-Offizielle. Zugleich wird in Banja Luka über eine neue Verfassung mit mehr Rechten für die RS diskutiert – das käme einer Lossagung von Bosnien-Herzegowina gleich. Der Ausgang beider Entwicklungen ist ungewiss. Klar scheint nur, je länger der Konflikt befeuert wird, um so schwerer kann er durch nun notwendige Verhandlungen beigelegt werden.
Dabei hat Dodik nie einen Hehl aus seinen Absichten gemacht. Er will mehr Befugnisse für den vorwiegend von Serben bewohnten Landesteil, andernfalls die Eigenständigkeit. Das ist nicht uneigennützig. Der Politiker, der von den Vereinigten Staaten und der USAID gefördert wurde, bereichert sich mit den Seinen an der RS; allein Dodiks Vermögen soll im dreistelligen Millionenbereich liegen. Auch dafür setzte ihn Washington unter Sanktionen. Es hat nichts geändert.
Wenn Dodik Nationalismus schürt, ist das Mittel zum Zweck. Verlockend ist das auch durch die Aussicht auf ein neues Milliardengeschäft. Im Majevica-Gebirge an der Grenze zu Serbien wurde Lithium gefunden. Der Rohstoff ist begehrt, die EU will ihn ebenso haben wie die USA und die deutsche Autoindustrie. Doch wem der Bodenschatz gehört – Sarajevo oder Banja Luka –, ist ungeklärt.
Die offene Frage ist ein Erbe des 1995 geschlossenen Dayton-Abkommens. Mit ihm sollte die ehemalige jugoslawische Republik nach drei Jahren Krieg befriedet werden. Die Probleme wurden durch ein kompliziertes, an der Realität zerbrechendes Regelwerk vertagt. So wurde Russland bei Dayton noch als Teil der »internationalen Gemeinschaft« gesehen. Das ist vorbei. Der Westen setzt auf Konfrontation gegen Moskau und Beijing.
Davon ist auch Bosnien betroffen. 2021 wurde in Sarajevo ein CSU-Politiker, für den es eine Anschlussverwendung brauchte, als Hoher Repräsentant eingesetzt. Russland war dabei nicht eingebunden. Nun fehlt Christian Schmidt in seinem überholten Amt mit vielen undemokratischen Befugnissen die Legitimation. Er setzt deswegen auf Drohungen und Beschimpfungen gegen alle, die nicht nach seiner Pfeife tanzen.
Schmidt hat die EU-Truppe Eufor Althea und die NATO auf seiner Seite. Dodik dagegen nutzt die Freiräume, die ihm die schwindende westliche Hegemonie bietet. Die Lösung des bosnischen Problems findet sich indes bei den Protesten, die seit 2014 immer wieder die Menschen auf die Straßen brachten – weder Kolonie des Westens noch Selbstbedienungsladen der nationalen Cliquen. Es wäre das Ende von Dayton-Bosnien.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Amel Emric/REUTERS03.03.2025
Spaltung zum Feiertag
- Dave Winer28.01.2025
Die erste »Zeitenwende«
- ZUMA Press Wire/IMAGO09.01.2025
Gerechtigkeit für »Uhuru 3«
Mehr aus: Ansichten
-
Endversorger des Tages: Norma24
vom 13.03.2025