Spaltung zum Feiertag
Von Slavko Stilinović
Das Drama in Bosnien und Herzegowina (Bosna i Hercegovina, BiH) geht weiter und hat auch den Nationalfeiertag, der am Sonnabend in Teilen des Landes begangen wurde, überschattet. Am 1. März 1992 hatte eine große Mehrheit der bosnischen Muslime und Kroaten für die Unabhängigkeit von Jugoslawien gestimmt. Die meisten serbischen Einwohner hatten das damalige Referendum allerdings boykottiert, da sie gegen eine Abspaltung waren. Entsprechend wird der 1. März in der serbischen Teilrepublik nicht als Staatsfeiertag anerkannt. Zudem kamen am Sonnabend von dort scharfe Töne: Der Präsident der Republika Srpska (RS), Milorad Dodik, drohte Serben, die weiterhin in den gemeinsamen Institutionen des Landes arbeiteten, als »dauerhafte Verräter« zu bezeichnen. »Wir werden ihre Namen auf Tafeln anbringen, wo immer wir können – in den Medien und überall«, sagte Dodik auf einer Pressekonferenz in Banja Luka. »Wir werden denen, die bleiben, nicht vergeben.«
Der Zwist schlägt auch außerhalb des Landes Wellen: So erklärte der serbische Präsident Aleksandar Vučić am Freitag, dass die Entscheidung eines Gerichts in Sarajevo zwei Tage zuvor, Dodik wegen Missachtung des in BiH wie ein Kolonialadministrator wirkenden Hohen Repräsentanten zu einem Jahr Gefängnis und einem sechsjährigen Verbot politischer Tätigkeit zu verurteilen, »gegen die Republika Srpska und das serbische Volk gerichtet« sei. Zudem beschuldigte er ungenannte Kräfte, mit dem angeblichen Versuch einer »Farbenrevolution« das Land schwächen zu wollen, um – wie er sagte – die RS »vollständig zu zerstören«: Er fügte hinzu, dass bisher jeder serbische Präsident der Republika Srpska entweder im Gefängnis gelandet, mit Sanktionen belegt oder aus seinem Amt vertrieben worden sei – angefangen mit Radovan Karadžić, der wegen Kriegsverbrechen eine lebenslange Haftstrafe verbüßt.
Am Donnerstag, einen Tag nach Dodiks Verurteilung, hatte das Parlament in Banja Luka Gesetze verabschiedet, die eine Abspaltung ihrer Gerichtsbarkeit vom Justizsystem des Gesamtstaates BiH vorsehen. Staatliche Institutionen wie Gerichte, Staatsanwaltschaft, Oberster Justizrat und Bundespolizei sollen laut den Beschlüssen auf dem Gebiet der Teilrepublik Srpska keine Kompetenzen mehr haben. Die US-Vertretung in Bosnien und Herzegowina verurteilte am Freitag in einer Stellungnahme die am Donnerstag abend beschlossenen Gesetze. Unter Verweis auf eine frühere Erklärung der Sprecherin des US-Außenministeriums betont die Botschaft, dass sie sich »gegen jegliche Maßnahmen einheimischer bosnischer Führungspersönlichkeiten stellen wird, die die Sicherheit und Stabilität Bosniens und Herzegowinas gefährden«.
Dodik hatte in den vergangenen Tagen mehrfach betont, dass sich die »Umstände für die Republika Srpska geändert« hätten, und damit die Verabschiedung der Gesetze gerechtfertigt. In der Sitzung der Nationalversammlung der RS am Sonnabend rühmte er sich, dass die US-Regierung unter Präsident Joe Biden die Schritte der Nationalversammlung noch als separatistisch bezeichnet habe, während die einzige Reaktion des neuen US-Außenministeriums unter Marco Rubio auf seine Verurteilung nun sei, sie »zur Kenntnis zu nehmen«. Die vorhergehende Erklärung der US-Vertretung bestätigt allerdings eine klare Haltung gegenüber den Behörden der Republika Srpska.
Auslöser der Auseinandersetzungen war ein Streit um die Befugnisse des Hohen Repräsentanten für BiH. Dieser wird seit dem Dayton-Abkommen von 1995, mit dem der Bosnien-Krieg beendet wurde, von der UNO ernannt. Versuche Russlands und Chinas, das Amt abzuschaffen, hatten bislang keinen Erfolg. Gegenwärtig hat der CSU-Politiker und frühere deutsche Landwirtschaftsminister Christian Schmidt den Posten inne. Er wirft der Führung der RS eine Destabilisierung des Balkanstaates vor. Banja Luka solle sofort sämtliche Aktivitäten einstellen, »die das Dayton-Friedensabkommen und die verfassungsmäßige und juristische Ordnung in Bosnien und Herzegowina aushöhlen«, forderte er am Freitag.
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