Fotografie und Verblödung
Von Hagen Bonn
Kennt noch jemand Rainer Eppelmann? Exbürgerrechtler in der DDR und heute bestbezahlter Stiftungsonkel, oder offiziell benamst als »Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur«. So was wird man freilich nur als strammer Antikommunist, wobei es Eppelmann quasi in die Wiege gelegt wurde. Papa SS-Mann, Mama Beamte; NSDAP- und BDM-Mitglied. Der Legende nach plante das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) die Ermordung des »oppositionellen Pfarrers«. Beide »Anschläge« blieben erfolglos, und auf einen weiteren hatte die Behörde keinen Bock. Leuchtet ein, oder?
Da wir gerade beim Thema »Legenden« sind, muss unbedingt darauf hingewiesen werden, dass Anfang März »65.000 Fotografien mit ost- und westdeutschen Perspektiven auf die DDR« in einer Onlinedatenbank veröffentlicht worden sind. Die »Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur« schreibt zur Kenntlichmachung der Fotografien: »Sie dokumentieren politische Ereignisse, den Alltag der Bevölkerung, Protestbewegungen sowie die friedliche Revolution 1989/90 und die anschließende Transformationsphase. Die erste Auswahl umfasst Bilder von Günter Bersch, Klaus Mehner, Jürgen Nagel und Harald Schmitt.« Am Ende sollen eine Million Bilder online stehen. Kostenfrei.
Von wegen: »Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hat als Stiftungskapital aus dem SED-Vermögen 75 Millionen Euro erhalten.« Also hat mein Nachbar bezahlt, zwei meiner Onkel, meine Grundschullehrerin und ich. Die etwas mehr als zwei Millionen Mitglieder der SED haben sich ihre Enteignung anders vorgestellt. Nun ja, wenn es der Kunst hilft. Hassasass! Sollte ein Witz sein. Ja, man darf doch mal einen Spaß machen, oder?
Außerdem darf man die Aufarbeitungsindustrie – also die Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, neben dem SED-Opferbeauftragten (Bund), dem Härtefallfonds für SED-Opfer und der SED-Opferrentenverwaltung – nicht unterschätzen. Auch nicht die vielen Museen, Gedenkstätten, Filme, Bücher und Fotos. Und da schauen wir bitte genauer hin. Etwa die Bilder von Günter Bersch, den ich als Künstler immer sehr geschätzt habe. Ob beim fleißigen Militärverlag oder bei der beliebten Frauenzeitschrift Für dich, Bersch war einer der großen Fotografen der DDR.
Auf der Suche nach starken Bildcharakteren verfuhr Bersch so: »Es gehört zu meinem Prinzip, dass ich mir erst von Menschen ein Bild mache, bevor ich ein Bild mache.« Was wir von ihm auf der Onlinedatenbank sehen, ist zwangsläufig etwas anderes. Zum einen hat der Künstler aus nicht geklärten Umständen die Masse seiner Werke, die bis 1990 entstanden waren, vernichtet, was dazu führt, dass wir neben Personenporträts hauptsächlich auf »Wende«- und Umbruchszenarien treffen.
Wer also wissen will, wie ein der DDR zugewandter Künstler sein Auge auf den Untergang seines Vaterlandes wirft, sollte das auf sich wirken lassen. Für Menschen mit Ostbiographie plus depressiver Veranlagung sei davon abgeraten. Aber für die wurden die Bilder auch nicht hochgeladen. Sie sind schon durch ihren Kontext straff auf Delegitimierung, Gehirnwäsche und Verblödung ausgerichtet. Das künstlerische Konstrukt im denunziatorischen Rahmen. Braucht man nicht.
https://fotoarchiv.bundesstiftung-aufarbeitung.de/
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