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Aus: Ausgabe vom 15.03.2025, Seite 7 / Ausland
Libanon

Beirut wird erpresst

Libanon: USA drängen Regierung zur Normalisierung mit Israel und zum Ausschluss der Hisbollah
Von Karin Leukefeld, Beirut
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Ein bisschen Normalität: Frauen rauchen Wasserpfeife vor zerbombten Häusern (Kfar Kila, 19.2.2025)

Der Libanon ist in einer neuen Phase. Nach dem Krieg befindet sich das Land in einer ungesicherten Waffenruhe. Israel nimmt sich das Recht heraus, überall zu bombardieren, wo es Waffen oder Angehörige der Hisbollah vermutet; fast täglich sterben weitere Menschen. Politisch dominieren wieder die direkten und indirekten Intrigen sowie ausländische Einmischung das Geschehen im Zedernstaat. Die USA und Israel formulieren ganz offen ihre Ansprüche, wonach die Hisbollah nicht nur militärisch zerschlagen, sondern auch politisch aus Regierung und Parlament gedrängt werden soll.

Die neue Regierung von Präsident Joseph Aoun – der die Entwaffnung der Hisbollah zugesagt hat – und Ministerpräsident Nawaf Salem bereitet US-Unterhändlern einen höflichen Empfang. Die fortgesetzte Besetzung südlibanesischer Orte durch die israelische Armee, anhaltende Luft- und Drohnenangriffe auf Fahrzeuge und tatsächliche oder vermutete Angehörige der Hisbollah werden zwar kritisiert, aber geduldet. Auch die fortwährende Überwachung durch israelische Drohnen, die mit ihren surrenden Motorengeräuschen über dem Himmel kreisen, wird von der Regierung hingenommen.

Ebenfalls kein Thema ist die Wiedergutmachung für die immense Zerstörung südlibanesischer Dörfer und ziviler Infrastruktur sowie die Verwüstung von wichtigem Agrarland, auch wegen des Einsatzes von weißem Phosphor durch die israelischen Streitkräfte. Die größten Zerstörungen im Südlibanon und in weiten Teilen der Beeka-Ebene hatte die israelische Armee während der vereinbarten Waffenruhe seit Ende November 2024 vorgenommen. Die Orte Khiam und Kfar Kila im Südosten des Landes liegen fast vollständig in Trümmern. Davon konnte sich am Freitag eine hochrangige Delegation der US-Botschaft überzeugen.

Nun hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angekündigt, Israel und Libanon würden drei Arbeitsgruppen einrichten, um über bestehende Unstimmigkeiten zu verhandeln. Dabei soll es um den Rückzug der israelischen Armee aus Libanon, die Markierung der Grenze und die Freilassung von libanesischen Gefangenen aus israelischen Gefängnissen gehen. Netanjahu erklärte, der Vorschlag sei mit den USA abgestimmt – es handele sich um ein »Zeichen des guten Willens gegenüber dem neuen libanesischen Präsidenten Joseph Aoun«.

Aus Sicht der USA soll die Sache schon weiter gediehen sein. Das Internetportal Axios – mit engen Kontakten zur US-amerikanischen CIA – berichtete Mitte der Woche, dass »zwei US-Beamte« ihm gegenüber erklärt hätten, beide Länder seien sich bereits einig, die Verhandlungen über die Landgrenze aufzunehmen. Die Trump-Administration habe »erfolgreich auf beide Seiten Druck ausgeübt«. Mit den Gesprächen solle die Waffenruhe zwischen beiden Ländern »stabilisiert« werden.

Offenbar wollen die USA die neue libanesische Regierung »testen«. Mit anderen Worten: Sollte Libanon Ansprüche formulieren, kann Washington den Geldhahn zudrehen und Israel seine Angriffe auf das Land wieder ausweiten. Washington habe bereits seit Wochen zwischen beiden Regierungen vermittelt, so das Medium. Die Freilassung von fünf Libanesen, die von der israelischen Armee im vergangenen Jahr während des Krieges festgenommen worden waren, sei ein Zeichen des guten israelischen Willens.

Doch nach Angaben der libanesisch-französischen Tageszeitung L’Orient habe die libanesische Regierung auf Nachfrage erklärt, erst aus der Presse von der Initiative erfahren zu haben. Bei jüngsten Gesprächen mit Natasha Franceschi, stellvertretende Leiterin der Libanon-Abteilung des US-Außenministeriums, sei über diese Initiative nicht gesprochen worden.

Im Nachrichtensender Al-Manar, der der Hisbollah zugerechnet wird, hieß es zudem, die libanesische Regierung habe den Vorschlag direkter diplomatischer Gespräche »mit dem Feind« bisher zurückgewiesen. Die einzigen direkten Kontakte, die es bislang gibt, beschränken sich auf technische Diskussionen über die militärische Lage im Grenzgebiet unter dem Dach der UN-Friedensmission UNIFIL.

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