Gegründet 1947 Dienstag, 15. April 2025, Nr. 89
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 15.03.2025, Seite 11 / Feuilleton
Bombenstimmung

Goldene Zeiten, ihr Lappen!

Von Pierre Deason-Tomory
imago96321023.jpg
Gibt’s was Leckereres? Auf jeden Fall!

Weimar im Frühjahr 2026. Ein Jahr erst ist die Bundestagswahl her, und die Merz-Revolution hat schon alles verändert. Die Regierung hat eine Billion Euro in die Hand genommen und investiert sie: Kindergärten werden zum Beispiel gebaut. Bundeswehrkindergärten. Die Bahnstrecken werden modernisiert. Richtung Ostfront. Es wird auch aufgerüstet, aber planvoll. So war geplant, moderne Waffen wie Kampfdrohnen anzuschaffen. Leider sind die Drohnen von Rheinmetall 20 Tonnen schwer und schaffen nur 300 Meter, bevor sie abstürzen, also bleibt die Bundeswehr beim Panzer.

5.000 Kettenfahrzeuge mit Tiernamen wurden bestellt, vom Typ »Leopard«, »Puma«, »Marder« und »Söder«. Die Selbstfahrlafette »Söder« ist neu, ein Hyperknallkopfwerfer mit Soundsystem. Der kann mit Scheiße schmeißen und den Feind totlabern.

Wenn man jährlich 200 Milliarden Euro für Militär und Autobahn raushaut, ist natürlich Bombenstimmung in der Wirtschaft. Es steigen die Aktienkurse und Renditen, die Zinsen auch, aber am höchsten die Preise im Supermarkt. Ist Rewe happy, freut sich der Mensch.

Nur der Hinz aus Weimar fühlt die Freude über die horrenden Lebensmittelpreise noch nicht. Er steht gerade im Supermarkt und sieht sich nervös um. Will ein Glas gekochtes Eisbein klauen, aber überall patrouillieren Wachschützer, und neuerdings wird man beim Verlassen des Ladens durchsucht. Der Mut sinkt, der Magen knurrt, Hinz kauft sich eine Tüte Puffreis.

In seinem Viertel hat die Inflation die Leute so verarmt, dass es in der Obstabteilung vom Aldi nur noch Steckrüben gibt. Apfelsinen bekommt man sonntags von der Caritas gegen einmal beten. Neben jeder Bratwurstbude steht jetzt eine mobile Bankfiliale, dort kann man einen Kredit aufnehmen, um die Bratwurst zu bezahlen. Die Buden werden von einem Schützenpanzer bewacht. Offiziell, um die Wurst vor ausländischer Sabotage zu beschützen, in Wirklichkeit, um Plünderungen zu unterbinden.

Als Hinz mit seinem Puffreis den Supermarkt verlässt, trifft er den Kunz und den Alfons. »Alte Rinde, was geht?« – »Muss ja.« – »Lass uns beim Bäcker einen Kaffee holen, ich geb einen aus.« – »Wasn hier los. Im Lotto gewonnen?« – »Ich hab wirklich im Lotto gewonnen, aber ihr dürft mich nicht bei meiner Alten verpfeifen.« – »Sie weiß nichts davon? Wovon hat sie dann neulich die Butter bezahlt, die sie hier rausgeschleppt hat? Richtige Butter!« – »Sie hat meine Bohrmaschine versetzt.«

»Und? Wieviel hast du gewonnen?« – »Hunderttausend. Davon kann ich locker ein Vierteljahr leben.« – »Nur wenn du auf echte Lebensmittel, Kultur und Friseur verzichtest.« – »Ich schneide mir die Haare selbst.« – »Das ist nicht zu übersehen.« - »Ihr seid echt ein paar Lappen! Klagt nicht! Passt euch an! Machts wie ich, habe mir bei der AfD einen fett bezahlten Job besorgt.« – »Als was? Saalschutz?« – »Social-Media-Troll.« – »Machen die so etwas nicht mit KI?« – »Nicht bei der AfD, sogar für künstliche Intelligenz sind die Faschisten zu doof.« – »Schämst du dich nicht, für die zu arbeiten?« – »Nein. Man muss mit der Zeit gehen, und zwar rechtzeitig. Damit man dabei ist, wenn’s richtig losgeht.« – »Kriegen wir dann, wenn’s richtig losgeht, statt der Kanonen Butter?« – »Ich schon, du aber nicht. Aus dir machen wir Kanonenfutter.«

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Mehr aus: Feuilleton