Ballade von der Öztaler Höhe
Von Thomas GsellaIch trampte mal von Hamburg nach Venedig,
Und in der dritten Nacht sprach mein Gefühl:
»Dein Körper ist so mancher Ruhe ledig.«
Öztaler Alpenmonde leuchten kühl.
*
Das Tier lebt ohne Zeit, der Mensch darf hoffen.
Ich lief bergab, der Mond sprach: Es ist vier,
Da, plötzlich, dies Hotel. Die Tür war offen,
Sperrangelweit, als gäb es keine Tür.
*
Ein freier Schlafplatz! Eingehüllt in Daunen,
Die Liege wie aus Stein. Gern schlaf ich hart,
Doch machte diese Härte mich kurz staunen.
Dann ging mein Traum von Autos, und es trat
So mancher Mensch ganz nahe an mein Bette.
Bald füllten Kaffeedüfte diesen Traum,
Als ob er in den Tag gewechselt hätte.
*
Die Sonne weckte mich in einem Raum,
Der ohne Wand war und zum Himmel reichte,
Nur eine Tür. Die ging zum Frühstückssaal.
Ein Blick auf das Buffet, und ich erbleichte:
Wie ungeheuer die Produktauswahl!
*
Ein Currywürstchen ist ein Baucherfrischer,
Ein Pappkaffee die beste Herzarznei.
Es gab auch Öl und Autoscheibenwischer,
Doch meine Übernachtung: kostenfrei!
*
So hab ich mich bei der Rezeptionistin
Mit einem bunten Wortestrauss bedankt.
Doch war sie die weit größere Stilistin
Und sprach vollendet: »Haben Sie getankt?«
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Mehr aus: Feuilleton
-
Leben im Exil
vom 15.03.2025 -
Schießen Sie auf den Pianisten
vom 15.03.2025 -
Goldene Zeiten, ihr Lappen!
vom 15.03.2025 -
Nachschlag: Heartbreak Hotel
vom 15.03.2025 -
Vorschlag
vom 15.03.2025 -
Veranstaltungen
vom 15.03.2025