Nachschlag: Heartbreak Hotel

»Auf dem Weg zu Proust, Woolf, James …« hieß es 2004 in der französischen Presse, als Wong Kar Wais »2046« ins Kino kam. In so einer Welt der Reminiszenzen ist man gerne zu Gast. Sie erscheint kostbar und ist zugleich doch eine der verpassten Gelegenheiten. Tony Leung sitzt wieder im Zimmer 2046 des Oriental Hotels in Hongkong, raucht, säuft und schreibt Schundromane. Was seine zusammengestohlene Liebesmelancholie (das Verlorene betrauern, das man nie gehabt hat) halbwegs erträglich macht, ist, dass die so kostbare literarische Sensibilität als pure Schäbigkeit vorgeführt wird. Phantasien eines zynischen Versagers: »Sie war nur ein junges Mädchen, aber sie schrieb Porno wie sonst nur die besten von uns.« In den Tagebüchern von Sylvia Plath heißt es, dass für »Ich liebe dich« eine eigene Sprache erfunden werden müsste. Die Liebe wird in einer Fremdsprache gesprochen. Eine Art Fremdsprache zu sein, ist bekanntlich auch Prousts Definition der Literatur überhaupt. Man erinnert sich und steigt aufs Hoteldach, um eine zu rauchen. (aha)
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