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Aus: Ausgabe vom 18.03.2025, Seite 5 / Inland
Kohlendioxidemissionen

RWE vor dem Kadi

OLG Hamm: Erstmals Klimaklage in der Beweisaufnahme. Kleinbauer aus Peru gegen Energieriesen
Von Oliver Rast
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Hat viel Durchhaltevermögen: Saúl Luciano Lliuya will BRD-Multi in die Knie zwingen (Hamm, 17.3.2025)

Sollte die Klimaklage durchkommen, wäre es ein Coup. Geklagt hat der peruanische Kleinbauer und Bergführer Saúl Luciano Lliuya; zivilrechtlich, zweitinstanzlich vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm in NRW. Vor dem Kadi stand am Montag der Energieriese RWE – oder: Bauer versucht Multi in die Knie zu zwingen.

Alles hatte im Herbst 2015 begonnen. Damals wie heute fordert der Kläger Lliuya von RWE als einem der größten CO2-Emittenten Europas Folgekosten für den Klimawandel anteilig zu tragen. Das Landgericht Essen lehnte das Ansinnen Lliuyas vor zehn Jahren noch ab. Ein Einzelunternehmen könne nicht für klimatische Krisen verantwortlich gemacht werden. Das OLG sah das anders, kündigte im November 2017 an, in die Beweisaufnahme zu gehen – und nun über den Fall mündlich zu verhandeln.

Lliuya kommt aus dem westperuanischen Huaraz in den Anden. Dort betreibt er einen Hof mit Hühnern, Schafen, Mais- und Quinoa-Anbau. Etwa 1.500 Meter oberhalb des kleinen landwirtschaftlichen Betriebs liegt der Palcacocha-See, dessen Wasserpegel durch abschmelzende Gletscher bedrohlich ansteigt. Es drohe eine Flutwelle in der Region mit seinem rund 50.000 Bewohnern, erklärte die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, die Lliuya unterstützt.

Vor dem OLG sind zwei Fragen zu klären: Sind Haus und Hof des Klägers akut überschwemmungsgefährdet? Und muss RWE dafür haften, gibt es einen Entschädigungsanspruch? Laut einer Untersuchung von Greenpeace und der Organisation »Climate Justice Programm« aus dem Jahr 2014 ist RWE insgesamt für 0.47 Prozent der klimaschädlichen Emissionen seit Beginn der Industrialisierung verantwortlich, berichtete Deutsche Welle am Montag. Demnach müsste der Konzern anteilsmäßig rund 20.000 Euro an Lliuya zahlen.

Davon will RWE nichts wissen: »Wenn es einen solchen Anspruch nach deutschem Recht geben sollte, könnte man auch jeden Autofahrer in Haftung nehmen. Wir halten das für rechtlich unzulässig und auch gesellschaftspolitisch für den falschen Weg«, hieß es aus dem Essener Firmensitz. Die Konzernbosse verweisen ferner auf stetes Einhalten der Rechtsvorschriften in der BRD. Und in Peru sei man nicht tätig.

Fest steht: Der Clinch um RWE ist ein Präzedenzfall. Erstmals habe es eine Klage auf unternehmerische Haftung für Klimarisiken in die Beweisaufnahme geschafft. Damit sei bereits jetzt Rechtsgeschichte geschrieben worden, betonte Germanwatch. Und deren politischer Geschäftsführer, Christoph Bals: »Es wächst der Druck auf große Unternehmen der Kohle-, Öl- und Gasbranche, ihr Geschäftsmodell zu ändern.« Konzerne aus der fossilen Energiewirtschaft würden kenntlich gemacht, Verursacher müssten zur Verantwortung gezogen werden. Kurz, Betroffene der Klimakrise forderten ihre Rechte ein. Mittwoch wird weiterverhandelt.

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