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Aus: Ausgabe vom 18.03.2025, Seite 4 / Inland
Versuchter Anschlag vor 30 Jahren

»Das Komitee« gesteht

30 Jahre nach Anschlagsversuch: Prozess gegen linke Aktivisten Peter Krauth und Thomas Walter. Einigung auf Bewährungsstrafe wahrscheinlich
Von Karim Natour
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Jahrelang waren Peter Krauth (l.) und Thomas Walter in Venezuela im Exil (Berlin, 17.3.2025)

Jahrzehntelang waren Peter Krauth (65) und Thomas Walter (62) in Venezuela untergetaucht. 30 Jahre nach einem gescheiterten Anschlag auf ein im Bau befindliches Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau haben die beiden Angeklagten die Tat nun gestanden. Vor dem Zweiten Strafsenat des Berliner Kammergerichts verlasen ihre Verteidiger am Montag vormittag die Geständnisse. Demnach planten sie, Ostern 1995 als Mitglieder der militanten Gruppe »Das Komitee« einen Sprengstoffanschlag auf das Abschiebegefängnis in Grünau. Dazu hatten die beiden gelernten Schreiner laut eigenen Angaben 120 Kilogramm eines Gemisches aus Natriumchlorat und Saccharose in Propangasflaschen gefüllt. Später hätten Zeitzünder eingebaut werden sollen. Beim Umladen auf einem Parkplatz wurden sie von einer Polizeistreife entdeckt, woraufhin sie die Flucht ergriffen. Im Fahrzeug ließen sie Personalausweise zurück und gingen nach Venezuela ins Exil. Auch einen erfolgreichen Brandanschlag auf ein Kreiswehrersatzamt der Bundeswehr in Bad Freienwalde (Oder) im Jahr 1994 gestanden beide am Montag. Insbesondere Abschiebungen von Kurden in türkische Gefängnisse habe man verhindern wollen. Ihre politische Einstellung habe sich nicht geändert, so die Angeklagten. Krauth erklärte, die Praxis der Abschiebung sei damals wie heute »unerträglich« und verstoße gegen die unveräußerlichen Menschenrechte.

Da sowohl die »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung« als auch die Brandstiftung inzwischen verjährt sind, hatte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe im Dezember 2024 lediglich Anklage wegen der Verabredung der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion erhoben. Dieser Tatbestand wäre im vorliegenden Fall erst nach 40 Jahren verjährt. Das Geständnis war Teil einer Einigung mit Karlsruhe. Im Gegenzug erhalten die Angeklagten voraussichtlich zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafen von maximal zwei Jahren. Mit dem Ende der rund zweistündigen Verhandlung am Montag wurde auch die Untersuchungshaft außer Vollzug gesetzt. Bis zum Ende des Verfahrens müssen sie sich nun zweimal pro Woche bei Polizeidienststellen melden. Ein Urteil ist für den 8. April zu erwarten.

Die Verhandlung fand unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen statt. Nicht wegen der in diesem Verfahren Angeklagten, sondern wegen eines ebenfalls im Saal stattfindenden Prozesses gegen einen BND-Mitarbeiter, dem Spionage vorgeworfen wird. Insgesamt war der Anklagevertreter bemüht, die Männer nicht als »gewalttätige Linksterroristen« darzustellen – wohl um dem Deal mit den ehemaligen Staatsfeinden Legitimation zu verleihen. So hätten sie Vorkehrungen getroffen, damit bei dem Anschlag auf das Abschiebegefängnis keine Menschen zu Schaden kommen. Ihnen sei bekannt gewesen, dass sich zum Zeitpunkt des geplanten Anschlags vermutlich niemand auf der Baustelle befinden würde. Darüber hinaus hätten sie Zettel mit einer Warnung an den Eingängen anbringen wollen.

Unklar bleibt, warum sich die beiden entschlossen hatten, Venezuela zu verlassen und sich den Strafverfolgungsbehörden in Deutschland zu stellen. Im Jahr 2014 war ein dritter Verdächtiger, Bernhard Heidbreder, von Zielfahndern des Bundeskriminalamts aufgespürt und aufgrund eines internationalen Haftbefehls in Venezuela festgenommen worden. Die örtlichen Behörden weigerten sich jedoch, ihn den deutschen Behörden auszuliefern. 2022 erhielten Walter und Krauth schließlich Asyl in Venezuela. Heidbreder verstarb noch vor der Entscheidung an Krebs. In der vergangenen Woche waren Walter und Krauth am Berliner Flughafen BER angekommen und in Untersuchungshaft genommen worden. Die Verständigung hatte laut einer Gerichtssprecherin bereits am 20. Februar 2025 stattgefunden. Weder die Angeklagten noch die Bundesanwaltschaft wollten sich im Anschluss an die Verhandlung dazu äußern.

Am Montag erklärte Krauth in seinem Geständnis, er habe »gern einmal wieder in Berlin sein« wollen, um »Freunde zu sehen«. Ein Anflug von revolutionärer Rhetorik ließ sich zum Ende der Verhandlung wahrnehmen. Nachdem der Vorsitzende Richter die Sitzung für beendet erklärt hatte, erhoben sich einige Zuschauer im Publikum und skandierten »Abschiebung ist Folter, Abschiebung ist Mord« und »Der Kampf geht weiter«. Darauf der Richter: »Dann bis morgen also.«

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