Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 21.03.2025, Seite 5 / Inland
Stadtentwicklungspolitik

Gefahr für Großstadtidyll

Berlin: Senat mit Gesetzentwurf zum Erhalt von Kleingärten. Linke kritisiert »schwarz-rote Betonkoalition«
Von Oliver Rast
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Friedliche Koexistenz: Grünes Kleinod inmitten von Wohnsilos. Bloß, wie lange noch? (Berlin, 2.10.2024)

Sie gelten oft als piefig, spießig, muffig: Laubenpieper, Schrebergärtner, Kleingärtner. Oft zu Unrecht. Denn sie verstehen sich als Hüter grüner Kleinods inmitten großstädtischer Siedlungen. Ein liebevoll ausgebauter Verschlag als feste Unterkunft, zwei, drei Obstbäume entlang der akkurat gemähten Rasenkante; dazu zwei, drei frisch geschnittene Hecken, hinter denen Gemüse gedeiht. Ein Refugium.

Aber: Die Areale in der Hauptstadt sind begehrt – und in Gefahr. Rund 15.000 Bewerber stünden auf Wartelisten, hatte jüngst der Präsident des Landesverbands Berlin der Gartenfreunde, Gert Schoppa, dem Tagesspiegel gesagt. Fünf bis zehn Jahre müssten interessierte Pächter ausharren, um eine Parzelle zu ergattern. Ärger noch, die kleingärtnerische Idylle könnte vielerorts anderen Bauten weichen. Trotz Gesetzesinitiative – oder gerade deswegen. Das jedenfalls befürchten organisierte Kleingärtner und die Abgeordnetenhausfraktion von Die Linke.

Der Referentenentwurf für ein Gesetz zum Erhalt von Kleingartenanlagen auf landeseigenen Flächen in Berlin, kurz Kleingartenflächensicherungsgesetz (KgFSG), liegt jW vor. Ein Entwurf von Anfang März aus der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) von Ressortchefin Ute Bonde (CDU). In Berlin gibt es aktuell 56.280 Kleingärten in Landeshand mit einer Gesamtgröße von 2.283 Hektar, heißt es aus der SenMVKU. Anlagen, »die im besonderen Maße der Erholung der stetig wachsenden Stadtbevölkerung dienen«. Oder wie der Landesverband der Gartenfreunde betont: »Kleingärten haben einen unschätzbaren Wert für Berlin – gesellschaftlich, klimatisch und ökologisch.«

Der Konfliktpunkt: Die teils konkurrierenden stadtentwicklungspolitischen Vorhaben, etwa der Flächenbedarf für Wohnungsbau, Verkehrs- und Gewerbeprojekte. Wenig überraschend, Kleingärten auf landeseigenem Grund und Boden können beseitigt werden, wenn öffentliche Interessen überwiegen, steht im Referentenentwurf. Beispielsweise für die Schaffung von Wohnraum samt sozialer Infrastruktur (Straßen, Kitas, Schulen) und »Mobilitätsbedürfnissen der Bevölkerung«. Dafür braucht es die Zustimmung im Abgeordnetenhaus, allerdings nur die einfache Mehrheit. Selbst die braucht es nicht, wenn eine (geeignete) Ersatzfläche gefunden wird. Eine Umsiedlung der Anlage ist dann auch fernab des ursprünglichen Standorts möglich. Hinzu kommt: Der Senatsentwurf enthält keinen Passus zu nichtlandeseigenen Kleingartenflächen. Das sind immerhin rund ein Viertel aller Gelände.

Turgut Altuğ (Bündnis 90/Die Grünen) hat Kritik. Der Gesetzentwurf des schwarz-roten Senats würde Kleingärten nicht sichern, sagte der naturschutzpolitische Sprecher seiner Fraktion am Dienstag gegenüber dem RBB. Denn der Begriff »öffentliches Interesse« im Gesetzestext sei das Gegenteil eines echten Schutzes. Schon bisher würden Kleingärten aufgrund von »Wohn- oder Mobilitätsbedürfnissen« umgewidmet, weiß Altuğ.

Schärfer reagiert die Linke-Sprecherin für Stadtentwicklung, Bauen, Umwelt und Tourismus, Katalin Gennburg, am Donnerstag im jW-Gespräch. »Seit zehn Jahren fallen immer mehr Kleingärten der Bodenspekulation und der Bauwut zum Opfer.« Damit müsse endlich Schluss sein. Die Kleingärten seien ein wichtiger Teil des Berliner Stadtgrüns, sie kühlten die Hauptstadt und böten Orte der Erholung und Begegnung. Aber die »Betonkoalition aus SPD und CDU« liefere keinen Beitrag zum Kleingartenerhalt. Deshalb will die Linksfraktion ein eigenes Gesetz vorlegen. Gennburg: »Kleingartenbebauung ist Klassenkampf von oben, und als Linke stellen wir uns eindeutig auf die Seite der selbstorganisierten Subsistenzwirtschaft der Menschen.« Eine Stadtentwicklungspolitik, alles andere als piefig, spießig, muffig.

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