Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 21.03.2025, Seite 8 / Inland
Jugendherbergen

»Wir werden von der Politik allein gelassen«

An den Unterkünften deutscher Jugendherbergen nagt der Zahn der Zeit. Die Regierung soll jetzt beispringen. Ein Gespräch mit Thomas Schwalm
Interview: Max Ongsiek
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Urlaub für alle: Jugendherberge Bremsdorfer Mühle im Naturschutzgebiet Schlaubetal (Schlaubetal-Bremsdorf, 30.4.2007)

Jüngst forderte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH), Oliver Peters, jährliche staatliche Hilfen im Umfang von 30 Millionen Euro für die Sanierung der vereinseigenen Unterkünfte. Gab es von seiten der Politik schon entsprechende Rückmeldungen?

Nein, davon habe ich noch nichts gehört. Aber unser Hauptgeschäftsführer ist ständig mit Politikern, auch über entsprechende Ausschüsse, im Gespräch.

Wie finanziert das DJH den Unterhalt und Erhalt seiner Gebäude und Anlagen?

Wir sind ein eingetragener, gemeinnütziger Verein, und wir finanzieren uns über Einnahmen aus Übernachtung und Programm sowie über Mitgliedsbeiträge.

Was mögliche Sanierungen der DJH-Gebäude betrifft, so gelten laut Auskunft des scheidenden Wirtschaftsministeriums Jugendherbergen mit Blick auf den Anwendungsbereich des Gebäudeenergiegesetzes grundsätzlich als förderfähig. Ist das jetzt die ersehnte helfende Hand oder reine Makulatur?

Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich weder das eine noch das andere bestätigen. Was aber einfach daran liegt, dass gerade dieses besagte 2020 in Kraft getretene Gebäudeenergiegesetz diverse Änderungen erfahren hat und es wohl weitere Änderungen geben wird. Die klassischen Förderungen des Gebäudeenergiegesetzes laufen aber darauf hinaus, dass mit einer entsprechenden Bewilligung auch ein nicht unbeachtlicher Eigenanteil einhergeht. Ich nehme jetzt mal ein Beispiel: Wir haben mehrere ältere Einrichtungen, die schon in den 1950er Jahren gebaut worden sind. Die liefen ganz lange mit Ölheizung. 2013 haben wir dann angefangen, diese durch Gasheizungen zu ersetzen. Teilweise sind unsere Anlagen noch nicht einmal abgeschrieben. Zu dem Zeitpunkt war Gas das Heizmedium schlechthin. Jetzt ist es die Wärmepumpe, die von der Politik erwünscht ist.

Zu Ihrem Landesverband Berlin-Brandenburg gehören 15 Herbergen. Wie viele davon sind sanierungsbedürftig?

Die Jugendherberge in Bad Saarow (Altbauvilla von 1911, jW) ist seit zweieinhalb Jahren geschlossen. Wir sind dort in einen Investitions- und Modernisierungsstau geraten, der letztlich das Ziehen der Reißleine zur Folge hatte. Die vor der Tür stehende Komplettsanierung hätte unseren finanziellen Spielraum bei weitem überschritten. Aber einen Investitionsbedarf haben alle Häuser. Manche mehr, manche weniger. Die Areale sind halt auch alle unterschiedlich groß. Die kleinste Jugendherberge, die wir betreiben, ist an der Gedenkstätte Sachsenhausen mit 32 Betten, und die größte ist Berlin-International in der Nähe vom Potsdamer Platz mit 395 Betten.

Und wenn die 30 Millionen Euro pro Jahr nicht kommen? Stehen dann weitere Herbergsschließungen an?

Eine Gefahr wäre definitiv, dass wir das Netz der Jugendherbergen weiter reduzieren müssten. Was den Unterhalt der Gedenkstätten-Jugendherbergen (neben Sachsenhausen auch die Jugendherberge Ravensbrück, jW) betrifft, so werden wir von der Politik jetzt schon allein gelassen, denn die Einrichtungen kosten uns eigentlich mehr Geld, als diese erwirtschaften. Trotzdem ist für uns das Betreiben dieser Einrichtung selbstverständlich – schon aus rein zivilgesellschaftlichen Gründen.

Welche Jugendherbergen sind denn bei Ihren Gästen am beliebtesten?

Das hängt natürlich davon ab. Geht es für Schulklassen um politische Bildung oder Geschichtsthemen, so sind die Gedenkstätten-Jugendherbergen sehr beliebt. Was aber die reinen Übernachtungszahlen anbetrifft, so ist in Brandenburg wahrscheinlich die Umwelt-Jugendherberge Bremsdorfer Mühle auf einem 20.000 Quadratmeter großen Naturgrundstück im Schlaubetal eins unserer Zugpferde.

Welche Rolle spielt die Institution Jugendherberge in der Gesellschaft?

Es geht um Toleranz, um Bildung und um das Zusammenkommen von Menschen aller Art, um hier ein gemeinschaftliches Miteinander erleben zu können. Wir stehen für Vielfalt. Denn die Institution Jugendherberge ermöglicht einen sozialverträglichen Urlaub auch für Familien, die nicht so viel Geld haben.

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