Gegen die Oligarchie
Von Julieta DazaEs ist ein Rückschlag für die progressive Regierung Kolumbiens: Trotz landesweiter Demonstrationen hat die sogenannte siebte Kommission des Senats die von Präsident Gustavo Petros Administration vorgeschlagene Sozial- und Arbeitsreform auf Eis gelegt. Petro hatte zu den Protesten aufgerufen, um Druck auf die Oppositionsabgeordneten auszuüben. Aber auch die erfolgreiche Mobilisierung konnte die schon erwartete negative Abstimmung letztlich nicht verhindern. Mit der Reform sollten unter anderem unbefristete Arbeitsverträge Standard werden und die Entschädigungen für ungerechtfertigte Entlassungen sowie die Sonn- und/oder Feiertagszuschläge erhöht werden. Außerdem sollte die Nachtarbeitszeit, bei der Zuschläge anstehen, ausgedehnt werden.
In der Hauptstadt Bogotá zogen die Demonstranten am Dienstag in einem Sternmarsch zum Bolívar-Platz, wo sich der Sitz des Kongresses befindet. Gewerkschaften und soziale Bewegungen bildeten den größten Teil der Demos, aber auch Organisationen von indigenen und afrokolumbianischen Gemeinden, Studenten, Rentnern und Künstlern waren präsent. Am Mittag war die Plaza de Bolívar komplett gefüllt, und Petro hielt eine Ansprache, in der er das Recht auf Protest verteidigte und diejenigen Mitglieder der Oberklasse kritisierte, die sich gegen die Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter positionieren.
Die Massenmobilisierung war ein Erfolg. Denn Carlos Fernando Galán, Bürgermeister von Bogotá, hatte den Lehrern des öffentlichen Schulsystems mit Repressalien gedroht, sollten sie am Dienstag nicht zur Arbeit kommen. Und das, obwohl Petro diesen zuvor als »Tag der Bürgerbeteiligung« dekretiert hatte, um Beschäftigten des öffentlichen Sektors zu ermöglichen, an den Veranstaltungen teilzunehmen. In die gleiche Kerbe wie Galán schlugen landesweit weitere Lokalpolitiker, insbesondere jene, die in Verbindung zu großen Unternehmen stehen.
Am Nachmittag wurde dann bekannt, dass acht Abgeordnete der aus 14 Mitgliedern bestehenden Kommission dafür gestimmt hatten, die Reform auf Eis zu legen, womit diese nicht einmal zur Diskussion im Senat durchkam. Einer Recherche des kolumbianischen Magazins Raya zufolge haben mehrere dieser rechten Abgeordneten Verbindungen zu paramilitärischen Gruppen und/oder sind in Wahlkorruption verstrickt. Gegen einen von ihnen, Miguel Ángel Pinto Hernández, Mitglied der Liberalen Partei, gibt es diesbezüglich sogar eine laufende Ermittlung. Sechs dieser acht Abgeordneten waren außerdem vor einem Jahr schon für das Scheitern der Gesundheitsreform verantwortlich.
Angesichts der Schwierigkeiten, die die Regierung bisher hatte, Sozialreformen in dem von rechten, oligarchischen und korrupten Politikern geprägten Kongress durchzusetzen, hat Präsident Petro zur Durchführung einer verfassungsgemäßen Volksabstimmung aufgerufen. Eine solche muss jedoch vom Senat genehmigt werden, und mindestens ein Drittel der Wahlberechtigten müsste teilnehmen, damit der Beschluss der Abstimmung bindend ist.
Obwohl Petros Regierung allem Anschein nach noch immer Rückhalt in der Bevölkerung genießt und die Volksabstimmung ein Schritt in Richtung direkterer Demokratie sein könnte, sind auch kritische Stimmen innerhalb der Linken zu vernehmen, die eine tiefgreifende politische und soziale Veränderung in Kolumbien anhand legaler und institutioneller Mittel als unwahrscheinlich ansehen. Der seit jeher oligarchische und terroristische kolumbianische Staat biete keine Möglichkeit für Veränderungen. Deshalb müsse man sich nicht nur auf die verschiedenen Staatsinstitutionen und Wahlprozesse konzentrieren, sondern auch auf die Stärkung der sozialen Basisorganisationen.
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