Vorschlag zur Güte
Von Arnold Schölzel
Zwei Stunden lang sprachen Donald Trump und Wladimir Putin am Dienstag telefonisch miteinander. Laut Trump war das Gespräch »sehr gut und produktiv«. Am Donnerstag interviewte der Deutschlandfunk (DLF) den emeritierten Professor der Bundeswehr-Universität Hamburg, August Pradetto. Er stimmt nicht in den Chor des Entsetzens ein, weil kein umfassender Waffenstillstand vereinbart wurde.
Erste Frage des DLF-Moderators Tobias Armbrüster: Sei Putin der große Gewinner? Pradetto: Nein, denn es gebe Fortschritte, erstens mit der Verständigung darüber, dass »alle Seiten daran interessiert sind, den Krieg zu Ende zu bringen«. Zweitens: »Es konnte nicht erwartet werden, dass innerhalb von zwei Stunden der Krieg beendet ist.« Wenn man ihn einfrieren wolle, dann müsse über eine Demarkationslinie, über eine Pufferzone und deren Ausgestaltung gesprochen werden. Die entscheidende Frage sei daher, wie intensiv weiterverhandelt werde und ob die Verhandlungen Ergebnisse hervorbrächten.
Armbrüster will nicht so schnell aufgeben: Verzicht auf Angriffe auf Energieanlagen kann doch kein Erfolg sein? Das folgt der Logik von EU- und NATO-Europäern: Verzicht auf Angriffe ist von seiten Moskaus nichts, von seiten Kiews Verzicht auf Selbstverteidigung. Pradetto sieht das anders: Für die Ukraine sei wichtig, dass die Beeinträchtigung durch Stromausfall ein Ende hat – der störe ja auch die Waffenproduktion und belaste nicht nur die Bevölkerung. Das Gute an dem Telefonat sei, dass Klarheit geschaffen wurde: Putin stimmt nicht sofort einer Waffenruhe zu, aber die USA unterstützen weiterhin Kiew mit Waffen. Das halte den Druck auf Russland aufrecht, das militärisch keineswegs in einer guten Situation sei. Armbrüster wendet ein: Aber der Krieg laufe doch gerade gut für Putin – weitere Geländegewinne, ordentlicher Druck auf die ukrainischen Truppen im russischen Gebiet Kursk. Man könne sagen: Für Putin gibt es keinen Grund, jetzt den Krieg zu beenden. Pradetto hält dagegen: Die russischen Streitkräfte seien kaum über die Frontlinie hinausgekommen, die sich im November 2022 in der Ostukraine gebildet habe. Und die Truppen seien in einem katastrophalen Zustand. Es habe vor kurzem belastbare Zahlen gegeben, wonach 220.000 russische Soldaten getötet worden seien, darunter rund 5.000 Kommandeure. Man habe aus dem Norden und Osten Russlands Streitkräfte heranführen müssen, die Rückeroberung von Kursk dauere bereits seit August 2024. Pradettos Fazit: Auch die russische Armee benötigt dringend eine Pause.
Armbrüster lenkt ein und fragt nun, auf »was für eine Art von Frieden würde das denn hinauslaufen«? Pradetto: Wenn sich keine Seite militärisch durchsetzen kann, gibt es ein viel erprobtes Modell – man setzt sich zusammen und führt eine Art Waffenstillstand ein. Beiderseits einer Demarkationslinie wird das Militär ausgedünnt. Im Grunde könne man »das koreanische Modell als Blaupause nehmen«. Das sei schon bei der Beendigung vieler Kriege in den vergangenen Jahrzehnten praktiziert worden. Man versuche in solchen Fällen zugleich eine Friedenstruppe zustande zu bringen, die diese Demarkationslinie sichert.
Armbrüster: Wenn die russische Seite so schwach ist, sind dann die riesigen Ausgaben für Rüstung hier und anderswo gerechtfertigt? Pradetto: Wenn Jens Spahn erkläre, »der Russe steht vor der Tür« und greife in fünf Jahren an, dann sei das eine »völlig abwegige Lagebeschreibung«. Waffenpanikkäufe seien verfehlt.
Neuerdings sind vorwiegend militärische Fachleute gegen finanzielle Rüstungsballerei. Die deutschen Parteien hoffen, diese erzeuge wirtschaftliches Wachstum. Vorschläge zur Kriegsbeendigung werden daher unnachsichtig diffamiert.
Neuerdings sind vorwiegend militärische Fachleute gegen finanzielle Rüstungsballerei. Die deutschen Parteien hoffen, diese erzeuge wirtschaftliches Wachstum. Vorschläge zur Kriegsbeendigung werden daher unnachsichtig diffamiert.
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