Schauprozess gegen Greenpeace
Von Jürgen Heiser
Vergangene Woche entschied ein Geschworenengericht im US-Bundesstaat North Dakota, dass die Umweltschutzorganisation Greenpeace für Straftaten im Zusammenhang mit Protesten gegen den Bau der Dakota Access Pipeline (DAPL) haftbar zu machen ist. Die neunköpfige Jury des seit dem 26. Februar in der Stadt Mandan tagenden Gerichts fällte ihr Urteil nach zweitägigen Beratungen. Die Organisation soll nun 667 Millionen US-Dollar an das Pipelineunternehmen Energy Transfer Partners (ETP) zahlen. Der in Texas ansässige Energiekonzern hatte Greenpeace wegen »Verleumdung durch eine Fehlinformationskampagne« und »Anstiftung von Demonstranten zu kriminellem Handeln« gegen den Pipelinebau in den Jahren 2016 und 2017 verklagt.
Doch die Vorwürfe fallen auf den Kläger selbst zurück. Der Protest gegen die DAPL machte damals international Schlagzeilen, weil der Bau illegal und ohne rechtliche Anhörung des Stammesrates der Standing Rock Sioux auf deren Reservatsgelände begonnen worden war. Lebensbedrohlich an dem Projekt war und ist vor allem, dass die Rohölpipeline über Hunderte Kilometer entlang des für die Region einzigen Trinkwasserreservoirs des Missouri Rivers verläuft.
Der milliardenschwere Konzern ETP herrscht in den USA über ein 110.000 Kilometer umfassendes Pipelinenetzwerk für Flüssigerdgas (LNG) sowie Erdöl. Die durch Fracking geförderten fossilen Brennstoffe, deren Absatz seit der Ukraine-Krise explosionsartig angestiegen ist, gehen über die ETP-Terminals in alle Welt. Bereits 2016 deckte der britische Guardian die engen geschäftlichen und politischen Verflechtungen des Milliardärs Donald Trump zu ETP auf. Konzernchef Kelcy Warren gehörte 2016 wie 2024 zu den Großspendern für Trumps Wahlkampf. Dieser revanchierte sich 2017 zu Beginn seiner ersten Amtszeit, indem er den Widerstand der Standing Rock Sioux und der internationalen Solidaritätsbewegung aus indigenen Nationen, Klima- und Umweltschützern zu zerschlagen suchte und alle rechtlichen Hindernisse für die DAPL-Genehmigung beseitigte.
In seinem Eröffnungsplädoyer hatte der ETP-Anwalt laut AP erklärt, er werde beweisen, dass Greenpeace Gewaltaktionen gegen die Pipeline koordiniert und ETP verleumdet habe. Janet Alkire, Vorsitzende des Stammesrates der Standing Rock Sioux, konterte die Behauptungen mit der Erklärung, es sei ermutigend gewesen, »dass sich viele nichtindigene Verbündete unseren Bemühungen zum Schutz unseres Wassers und unserer Großmutter Erde anschlossen. Dazu gehörten auch Mitglieder von Greenpeace«. Mit der Verleumdungsklage gegen Greenpeace behaupte ETP, »dass die DAPL nicht das Standing-Rock-Land durchquert, dass es keine Gewalt gegen friedliche Demonstranten gab und während der Bauarbeiten keine Kult- und Grabstätten zerstört wurden«. Nichts könne weiter von der Wahrheit entfernt sein, betonte die Vorsitzende. Zum Widerstand aufgerufen habe »allein unsere Gemeinde, und er wurde von unseren Anführern und von Stammesmitgliedern organisiert, darunter viele Lakota- und Dakota-Veteranen der US-Streitkräfte«.
Den Menschenrechts- und Umweltanwalt Steven Donziger, der einem Team unabhängiger Prozessbeobachter angehörte, zitierte das US-Magazin Democracy Now mit der Aussage, das Verfahren sei »absichtlich in einer Region des Landes abgehalten worden, die enge Verbindungen zur Industrie für fossile Brennstoffe« habe. Auch die meisten Geschworenen seien abhängig von dieser Industrie und hätten trotz der »falschen Darstellungen«, die während des Prozesses von ETP präsentiert wurden, »zugunsten des Konzerns entschieden«. Sprecher von Greenpeace, die vor dem Prozess angezweifelt hatten, »in dem Öl- und Gasland fair behandelt zu werden«, kündigten an, gegen die Gerichtsentscheidung in Berufung zu gehen, weil die enorme Entschädigungszahlung an ETP ihre Arbeit in den USA »in den Ruin« treibe.
Alkire kritisierte den Prozess als »einen Versuch, unsere Verbündeten und unseren Stamm über die Wahrheit dessen, was in Standing Rock passiert ist, und über die Bedrohung, die DAPL für unser Land, unser Wasser und unser Volk darstellt, zum Schweigen zu bringen«. Das werde jedoch nicht gelingen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Steffen W. aus Berlin (24. März 2025 um 12:16 Uhr)Wenn es gegen die Indianer, die Ureinwohner Nordamerikas, und ihre Unterstützer geht, ist bis heute in den USA alles erlaubt. Dies ist der Kolonialismus, der von einem unglaublich aggressiven Rassismus angetrieben und forciert wird. Diesen Rassismus trifft man heute vor allem auch in der Justiz, die massenhaft Indigene, Afroamerikaner, Latinos der Gefängnisindustrie zuführt, wo sie unter sklavenähnlichen Umständen arbeiten müssen. Viele dunkelhäutige Menschen werden zu Unrecht verurteilt, nicht erst seit heute. Auch Leonhardt Peltier ist ein Opfer dieses Rassismus, nicht zuletzt aber auch unser Genosse Mumia Abu-Jamal. Der Kolonialismus und der Rassismus muss in einer Gesamtheit gesehen und bekämpft werden. Dieser Zusammenhang ist von großer Bedeutung. Wenn wir gegen die Pipeline durch das Reservat der Indianer kämpfen, kämpfen wir auch gleichzeitig für die Freiheit des Genossen Mumia und umgekehrt. Die DDR war auch in dieser Hinsicht sehr weit vorn, die die Ureinwohner Nordamerikas ganz klar als die Opfer der Eroberer und Rassisten, später auch Sklavenhändler, herausgestellt hatte.
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