»Agrarlobbyisten verhandeln über Landwirtschaft«
Interview: Gitta Düperthal
Lobbycontrol kritisiert, dass die Unionsfraktion Julia Klöckner als Bundestagspräsidentin nominiert hat. Was spricht dagegen, dass sie dieses Amt künftig innehaben sollte?
Bis jetzt war Klöckner Schatzmeisterin ihrer Partei. Als Bundestagspräsidentin wiederum wäre sie die Chefin der Beamtinnen und Beamten, die die Finanzen der Parteien kontrollieren sollen. Wir sehen darin einen Interessenkonflikt. Selbst wenn sie nicht Schatzmeisterin bleibt, wie sie angekündigt hat, bleibt es schwierig. Sie würde zum Beispiel die Prüfung der hohen Spenden an die CDU im Wahljahr 2025 verantworten. Das wären also Prüffälle noch aus der Zeit, in der Klöckner für die Parteifinanzen der CDU zuständig war. Sie müsste sich mit der Frage, ob alles rechtmäßig war, quasi selbst kontrollieren. So ein Interessenkonflikt kann das Vertrauen in das Amt schädigen.
In der Vergangenheit sei sie durch einseitige Nähe zu Konzernen aufgefallen, konstatieren Sie – zum Beispiel?
2019 beweihräucherte Klöckner den Konzern Nestlé in einem Video des Bundeslandwirtschaftsministeriums, weil das Unternehmen angeblich Zucker, Salz und Fett in seinen Fertigprodukten reduziere. Klöckner hat sich auch zu Luxus-Lobby-Events nach Mallorca einladen lassen. Bei solchen Veranstaltungen stoßen Abgeordnete auf ein elitäres Lobbynetzwerk aus Unternehmen, Lobbyverbänden und Superreichen. Klöckner hat hier kritische Distanz missen lassen, wäre aber als Bundestagspräsidentin dafür zuständig, bei solchen Reisen auf die Einhaltung aller Regeln zu achten.
Klöckner soll für die »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft«, INSM, aktiv gewesen sein. Welche Rolle spielte sie dort?
Die von Arbeitgeberverbänden finanzierte Lobbyorganisation INSM startete etwa eine PR-Kampagne, um unter dem Deckmantel »Bürokratieabbau« bestimmte Gesetze zu verhindern, allen voran das Lieferkettengesetz. Klöckner ließ sich dafür neben anderen als »Bürokratiepatin« einspannen. Die INSM befeuerte mit ihrer Kampagne die ablehnende Debatte zum deutschen Lieferkettengesetz auf Kosten von Menschenrechten und Umweltstandards.
Sie kritisieren insgesamt die personelle Zusammensetzung bei den anlaufenden Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD.
Einige Unionsabgeordnete, die den Koalitionsvertrag aushandeln, sind mit Lobbyverbänden eng verbunden. Agrarlobbyisten verhandeln sowohl über Landwirtschaft als auch über Umweltschutz. Einige Personalien sind schon länger in der Kritik, zum Beispiel der Chef der bayerischen Bauernlobby Günther Felßner. Artur Auernhammer ist Vorsitzender des Bundesverbandes Bioenergie, ebenfalls ein Lobbyverband. Sind die Verhandlungsgruppen unausgewogen, kann es passieren, dass Gemeinwohlinteressen wie Umwelt- und Klimaschutz gegenüber wirtschaftlichen Lobbyinteressen vernachlässigt werden.
Ist die SPD, was solche Interessenkonflikte betrifft, besser aufgestellt?
Die CDU ist wirtschaftsnäher als die SPD, hat insofern entsprechend gefestigtere Verbindungen. Was aber nicht bedeutet, dass die SPD grundsätzlich besser darauf achtet, nicht in Lobbynähe zu geraten. Lobbycontrol wird im Blick halten, dass solche Nähe nicht Überhand nimmt, und Stimmen der Zivilgesellschaft besser gehört werden: zum Beispiel Organisationen, die sich für gesellschaftliche Interessen einsetzen, für Umwelt und Menschenrechte etwa.
Die Union müsse zeigen, »dass sie aus vergangenen Lobbyskandalen wie der Maskenaffäre«, in die der CDU-Politiker Jens Spahn maßgeblich verstrickt war, gelernt habe, mahnen Sie. Sind Sie optimistisch, dass das funktioniert?
Wir hoffen das. Es gibt inzwischen bessere Regeln und mehr Transparenz, was uns hilft, Lobbyeinflüsse nachzuvollziehen. Trotzdem müssen diese Regeln eingehalten und all das muss entsprechend kontrolliert werden, etwa Einträge im Lobbyregister. Jemand wie Julia Klöckner an der Spitze der Bundestagsverwaltung, die damit kein Fingerspitzengefühl gezeigt hat, kann nicht die richtige Person dafür sein.
Kathrin Anhold ist Kampagnenleiterin der Initiative für Transparenz und Demokratie Lobbycontrol
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