Schlichter nehmen Arbeit auf
Von David Maiwald
Der Ort ist geheim, die Fronten sind klar. Im Tarifstreit für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (TVÖD) hat am Montag die Schlichtung begonnen. Die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) hatte das Verfahren gemäß der Schlichtungsvereinbarung mit der Gewerkschaft Verdi und dem DBB-Beamtenbund nach dritter, ergebnisloser Verhandlungsrunde in der vergangenen Woche eingeleitet. Die nun tagende Schlichtungskommission unter Vorsitz des VKA-Schlichters Roland Koch (CDU) soll nun bis Anfang kommender Woche eine Empfehlung erarbeiten, die dann am ersten Aprilwochenende erneut zwischen Verdi und VKA verhandelt werden soll und zu einer Einigung führen kann.
Das war in der letzten Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Fall. Sollte die Empfehlung aber unter den Erwartungen der Beschäftigten bleiben, kann Verdi mit flächendeckenden Streiks zum großen Besteck der Auseinandersetzung greifen. Die Friedenspflicht gilt dann nicht mehr. Für längere Arbeitsniederlegungen sei die Gewerkschaft gerüstet, erklärte Verdi-Chef Frank Werneke am Montag. Die Gewerkschaft habe den Schlichter nicht angerufen, betonte Werneke. Es sei das Ziel der Gewerkschaft gewesen, innerhalb der regulären Verhandlungen ein Ergebnis zu erzielen.
Das gelang jedoch nicht. Die VKA-Verhandler hätten »bis zum Schluss gesperrt«, zitierte Verdi die Kovorsitzende Christine Behle unmittelbar nach den Gesprächen in der vergangenen Woche. Streitpunkt sei vor allem gewesen, dass die Kommunen die Gehaltsunterschiede in West- zu den Tabellengehältern in Ostdeutschland aufrechterhalten wollten, kritisierte Verdi. Eine »soziale Komponente« zur Stärkung der niedrigen Entgeltstufen sei ebenfalls abgelehnt worden. Nach mehreren Verhandlungsrunden ohne Angebot hatte der VKA unter Leitung von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) lediglich Gehaltsanhebungen um 5,5 Prozent in Aussicht gestellt.
Und Verdi will acht Prozent mehr sehen, mindestens aber 350 Euro. Mit Roland Koch als »unparteiischem« Schlichter für den VKA steht Verdi einem ausgemachten Arbeiterfeind gegenüber. Es war Koch, der mit dem Bundesland Hessen als Ministerpräsident 2003 aus der Tarifgemeinschaft der Länder austrat, wodurch Entgelte von Landesbeschäftigten seit 2006 in separater Tarifrunde (TV-L) verhandelt werden. Unter Kochs Regierung privatisierte das Land Hessen zahlreiche öffentliche Gebäude, um sie dann auf Landeskosten für Jahrzehnte anzumieten. Ein Milliardenverlust, zu Lasten der Bevölkerung. Ganz zu schweigen von Kochs rassistischer Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, die vor allem Kinder von Gastarbeitern adressierte.
Zwingend auf ihn hören muss niemand. In einer Urabstimmung kann Verdi über ein Streikmandat für die mehr als 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst abstimmen, sollte der Schlichterspruch nicht annehmbar sein. Betroffen sind sogar weitaus mehr Menschen, denn der Tarif wird auch in anderen Branchen angewendet. Die Bereitschaft zum Arbeitskampf war zu Beginn der letzten Gesprächsrunde jedenfalls hoch: An den Ausständen beteiligten laut Verdi mehr als 150.000 Kolleginnen und Kollegen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Matej M. (24. März 2025 um 23:27 Uhr)Der Bericht ist leider etwas irreführend bezüglich der Gehaltssteigerung: Ver.di fordert 8 Prozent pro Jahr(!), die Arbeitgeber bieten 5,5 Prozent über 3 Jahre(!) an – das sind weniger als 2 Prozent pro Jahr und damit weniger als die Inflationsrate.
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