Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 31.03.2025, Seite 5 / Inland
Landwirtschaftpolitik

Agroindustrielle lobbyieren erfolgreich

Agrarministerkonferenz: Erzeuger ohne »Marktmacht«, Grünlandbetriebe ohne neue Ökoregeln
Von Oliver Rast
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Solides landwirtschaftliches Produkt: Frisches von den Hennen auf den Tisch (Frankfurt am Main, 12.3.2025)

Das war sie also wieder, die Agrarministerkonferenz der Länder und des Bundes, kurz AMK. Am vergangenen Freitag ging die turnusmäßige, dreitägige Frühjahrestagung zu Ende. Ausrichter war diesmal das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg unter Ressortchef Peter Hauk (CDU).

Das Programm im pompösen klassizistischen Kurhaus samt Casino in Baden-Baden war abermals voll, 40 Tagesordnungspunkte. Das Ergebnis? Wie so oft: mager. Eine Sammlung von Formelkompromissen, Allerweltsaussagen und Heilsversprechungen. Kostprobe Hauk: »Wir müssen in der Landwirtschaftspolitik zu einer Kultur des Ermöglichens kommen und den Bauern wieder mehr zutrauen und ihnen und ihrer Arbeit vertrauen.« Die gute fachliche Praxis müsse dabei die Leitschnur sein.

Bereits im Vorfeld hatten sich Vertreter der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), der Vereinigungen »Freie Bauern« und »Land schafft Verbindung« (LsV) vor dem Konferenzort versammelt. Es war mehr als nur ein Fototermin mit Treckern, Bannern und Losungen. Für zahlreiche Landwirte geht es um den Hof, um die Existenz. Denn die Erzeuger hiesiger Ernährungsgrundlagen stehen in der Wertschöpfungskette oftmals hintenan. Müssen sich gegen »marktstarke« Abnehmer, Verarbeiter und Händler durchsetzen. Nicht einfach.

Dabei könnte es einfacher werden, etwa mittels Vertragspflicht. Also mit »vorab vereinbarten konkret bezifferten Mengen und Preisen, und zwar für alle Agrarprodukte, nicht nur für Milch, wo die Lieferbeziehungen besonders ausbeuterisch sind«, betonte Thomas Frenk, Landessprecher der »Freien Bauern« Baden-Württemberg, am Sonnabend gegenüber jW. Die Erzeugerposition in den Herstellungs- und Vermarktungsstufen sei schwach, weil in den Rohstoffmärkten zumeist kein Wettbewerb mehr stattfände, wenige große Konzerne nachträglich und einseitig über Preise bestimmten, so der Milchviehhalter aus dem badischen Nonnenweier weiter. Ein Aufbrechen dieser Machtstrukturen sei nur möglich durch die klare ordnungsrechtliche Vorgabe, Vorabverträge abzuschließen – Frenk: »Wir wollen unsere Produkte wie richtige Unternehmer verkaufen und nicht einfach abliefern und auf die Gutschrift warten.«

Dafür müsste die Bundesregierung aber den Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) der EU in nationales Recht überführen, als Novelle des im Juni 2021 in Kraft getretenen Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetzes (AgrarOLkG). Bloß, das passiert nicht; Milchindustrielle und Molkereibetreiber lobbyieren erfolgreich. Ein Beleg: keine Silbe im AMK-Abschlussstatement zur GMO samt Vertragspflicht.

Ein weiterer Aufreger: neue Ökoregeln ab 2026. Die soll es – entgegen vormaliger AMK-Beschlüsse – nun in der aktuellen EU-Förderperiode (2023 bis 2027) im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nicht geben. Beispielsweise eine Prämie für klassische Grünlandbetriebe mit Weidehaltung und Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt auf dem Acker. Der Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt und Sprecher der unionsgeführten Agrarressorts, Sven Schulze, begründete das am Freitag in Baden-Baden so: »Unsere Landwirtinnen und Landwirte brauchen endlich Rückenwind – keine neuen Vorschriften von oben.« Weitere Ökoregeln durch die Hintertür lehne er ab.

»Absurd«, meint hingegen Ottmar Ilchmann. Ziel zusätzlicher Umweltstandards für die Weidehaltung sei stets gewesen, »klassische Grünlandbetriebe stärker zu fördern als bisher, weil diese in der aktuellen Förderperiode bislang deutlich zu wenige Angebote in den Ökoregelungen finden«, erklärte der AbL-Sprecher für Agrarpolitik am Sonnabend im jW-Gespräch. Damit fehlten Bauern ökonomische Anreize, »ökologischer und tiergerechter zu wirtschaften«.

Nun denn, agrarpolitischer Konfliktstoff bleibt. Oder: Auf ein neues bei der turnusmäßigen Herbst-AMK Ende September. Dann in Heidelberg.

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