»Sie wollen Proteste gegen die IAA minimieren«
Interview: Fabian Linder
Sie kritisieren das Vorgehen der Münchner SPD, kritischen Stimmen in der Verkehrspolitik die Fördermittel zu entziehen – das betrifft auch das »Mobilitätswende-Camp München«. Wie geht die Partei vor?
Angefangen hat das schon 2020, als die Internationale Automobilausstellung (IAA) nach München kam. Als Kompromiss mit der Umweltbewegung und auch mit den Grünen sollte ein städtischer Mobilitätskongress stattfinden, der alle Formen der Mobilität thematisiert. Zudem sollten zivilgesellschaftliche Projekte gefördert werden. 2021 saß dann schon der Verband der Automobilindustrie mit auf dem Podium, weshalb weite Teilen der linken Bewegung diesen boykottierten und einen Gegenkongress abhielten. Bereits 2023 fand der städtische Kongress nur noch in einem deutlich geringeren Rahmen statt. 2025 sollte statt dessen die Förderung zivilgesellschaftlicher Projekte ausgebaut werden. Mit dem Wegfall dieser Projektförderung wird der Kompromiss zum Kompromiss auch noch gestrichen.
Welche Projekte sind konkret betroffen?
Betroffen sind Vereine, Initiativen, gemeinnützige Unternehmen, die in den vergangenen Jahren Projekte zur Umgestaltung des öffentlichen Raums durchgeführt haben und auch über ein sehr kooperatives Verhältnis zur Stadtverwaltung verfügen. Dadurch kam es in den vergangenen Tagen, trotz unserer Appelle und Hinweise, zum Versuch, mit der SPD zu reden. Wir sind mit allen in Kontakt und beraten darüber, wie wir hieraus gestärkt hervorgehen können.
Was bedeutet das Vorgehen für Ihre Proteste gegen die IAA Anfang September?
Gruppen wie »Sand im Getriebe«, »Smash IAA«, »No Future for IAA«, »Extinction Rebellion« und andere werden dennoch ihren Protest auf die Straße tragen. Auch unser »Mobilitätswende-Camp« wird wieder stattfinden. Wir haben uns bereits die letzten beiden Male schon über Spenden und zum Teil über unabhängige Stiftungsförderungen finanziert. Darüber hinaus können wir auf eine bessere Infrastruktur in der linken und Klimabewegung zurückgreifen.
Wie lässt sich das Vorgehen der SPD erklären?
Sie wollen Proteste gegen die IAA minimieren. Die Münchner SPD ist stark verbandelt mit der Konzernführung von BMW und mit dem Ausrichter der IAA. Die SPD will nicht, dass die Vorherrschaft des Automobils in unserem Mobilitätssystem hinterfragt wird. Andererseits sind viele Projekte betroffen, die als Lieblingsprojekte der Grünen gelten. Das betrifft dann die Koalition zwischen SPD und Grünen im Münchner Stadtrat, die bereits vor drei Jahren gebrochen wurde, als es um den Bau eines Autobahntunnels für BMW durch den Münchner Norden ging. Da hat sich die SPD gegen die Grünen durchgesetzt. Wir sehen jetzt die Vorbereitung auf die Kommunalwahl 2026, bei der die SPD offensichtlich wieder eine Koalition mit der CSU vorbereitet.
Sie kritisieren das gegenseitige Ausspielen von Klimaschutz und sozialen Themen.
Es wird argumentiert, dass zwar 400.000 Euro für Mobilitätsprojekte gestrichen werden, dafür aber mit 250.000 Euro Frauennachttaxis finanziert werden. Das ist ein Versuch, den Menschen weiszumachen, Klimaschutz sei eine Belastung. Wir müssten uns entscheiden zwischen Klimaschutz auf der einen und Lebensstandard und Komfort auf der anderen Seite. Wir haben darauf hingewiesen, dass das Geld für Projekte auf beiden Seiten da ist, wenn man es von den richtigen Stellen abzieht. Die Millionenförderung für einen von BMW gesponserten Tennisplatz oder die bereits ausgegebenen 13 Millionen Euro an Planungsmitteln für besagten Autobahntunnel hätte man sinnvoller verwenden können. Damit wären einige Nachttaxigutscheine finanzierbar gewesen.
Wie bewerten Sie die Entwicklung Ihrer Stadt angesichts der Zunahme solcher Angriffe auf die Zivilgesellschaft?
Das ist Teil des Rechtsrucks. Rechte und konservative Parteien, darunter auch die SPD, trauen sich immer mehr, Widerspruch zu unterdrücken. Wir erleben eine Ökonomisierung der Gesellschaft, wenn SPD und Grüne dafür eintreten, zivilgesellschaftliche Mobilitätsprojekte lieber durch die private Hand zu finanzieren. Das bremst eine kollektive Willensbildung in der Bevölkerung aus.
Kim Probst ist Sprecherin des »Mobilitätswende-Camps München«
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