Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 02.04.2025, Seite 10 / Feuilleton

Rosenthal, Weiskopf, Strub, Fliegel

Von Jegor Jublimov
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Hans Rosenthal moderiert »Dalli Dalli« im November 1983

Vor rund 50 Jahren schenkten wir Tante Clara, einer liebenswerten, unpolitischen Dame, zum 80. Geburtstag ihren ersten Fernseher. Nach einiger Zeit befragt, wessen Sendungen sie denn besonders mag, antwortete sie: »Am liebsten sehe ich Hans Rosenthal, auch wenn er so’n kleiner Jid ist.« Rosenthal, den Tante Clara schon oft im RIAS gehört hatte, wurde vor 100 Jahren am 2. April in Berlin-Prenzlauer Berg geboren, musste als Kind antijüdische Schikanen miterleben, verlor seine Eltern und fand nach Zwangsarbeit Zuflucht in einer Kleingartenanlage in Berlin-Fennpfuhl, wo er von drei mutigen Frauen zwei Jahre lang versteckt wurde. Die Befreiung durch die Rote Armee bedeutete für ihn, endlich wieder normal leben zu können. Erst 1980 berichtete er darüber in einem Buch. In der kommenden Woche zeigt das ZDF den biographischen Film »Rosenthal« mit Florian Lukas über den Tag im Jahr 1978, der ihn veranlasste, mit seiner Geschichte öffentlich umzugehen.

Am 3. April vor 125 Jahren wurde in Prag ein kleiner Franz Carl geboren, der später als F. C. Weiskopf weithin bekannt werden sollte. Nachdem er in Prag zum Dr. phil. promoviert und Mitglied der tschechoslowakischen KP geworden war, ging er 1928 als Journalist nach Berlin, wo er gemeinsam mit seiner Frau, der Jugendschriftstellerin Alex Wedding, dem Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller beitrat. Beide mussten als Kommunisten jüdischer Abstammung Berlin 1933 verlassen. Weiskopf arbeitete journalistisch in Prag, und nach 1938 gelang dem Ehepaar über Paris die Flucht in die USA, von wo aus er verfolgten deutschen Schriftstellern die Flucht nach Mexiko ermöglichte. Zunächst kehrten die Weiskopfs nach dem Krieg nach Prag zurück, ehe sie 1953 nach Berlin übersiedelten. F. C. Weiskopf arbeitete als Herausgeber und bereitete die Verfilmung seines Romans »Lissy« vor, deren Realisierung durch Konrad Wolf (1957, unter Mitarbeit von Alex Wedding) der Autor nicht mehr erlebte. Nach einem aufreibenden Leben starb er 1955. Als sein Hauptwerk wird der Roman »Abschied vom Frieden« über das Großbürgertum in der K.-u.-k.-Monarchie vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs angesehen. Die opulente Verfilmung durch das DDR-Fernsehen (1977/79) wurde in den 80er Jahren auch in der ARD ausgestrahlt und gewann dem Autor neue Leser.

RLP Rolf Becker 2025

In der vom Kalten Krieg geprägten Nachkriegszeit im Exil aufwachsen musste die Schweizer Schauspielerin Olga Strub. Ihr Vater, der Basler Grafiker Heiri Strub, war als Mitglied der Partei der Arbeit nicht wohlgelitten und siedelte 1957 mit der siebenjährigen Tochter in die DDR über. Olga Strub konnte an der heutigen Ernst-Busch-Schule studieren, fand ein Engagement am Berliner Ensemble, wo sie 1973 in der Titelrolle von Brechts »Turandot oder der Kongress der Weißwäscher« neben Curt Bois brillierte und nebenher auch in Filmen mitwirkte. Sie war 2008–2011 in der Schweiz neben Mathias Gnädinger in den Filmen um Kommissär Hunkeler dabei und spielte 2023 in Roman Polańskis »The Palace«. Am 2. April begeht sie ihren 75. Geburtstag.

85 Jahre alt wird am Sonntag Marie Anne Fliegel – was ihr niemand anmerkt, der sie in den neuen Folgen der ARD-Serie »Die Kanzlei« als Assistentin und gleichzeitig Mutter von Sabine Postel sieht. Sie hatte in Halle (Saale) jahrzehntelang Theater gespielt, aber ab 1965 immer wieder kleine Fernsehrollen übernommen, die seit ihrem Abschied vom Theater immer größer wurden.

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